Carl Maria von Webers musikalisches Überraschungsei

Die Wiener Akademie unter Martin Haselböck legte im Musikverein Webers Originalität offen. Roland Brautigam am Hammerklavier brillierte mit Beethoven.

Ein Schattendasein. Dazu haben die heutigen Konzert- und Opernprogramme Carl Maria von Weber verurteilt. Hie und da ein Freischütz, gelegentlich einmal ein Klarinettenkonzert, alle heiligen Zeiten das Konzertstück für Klavier – das war es mehr oder oder weniger.

Wie ungerecht das doch ist, wurde diese Woche im Wiener Musikverein wieder einmal deutlich: Martin Haselböck und seine Wiener Akademie ließen anhand der selten gespielten 2. Symphonie in C erspüren, was für ein origineller Komponist Weber doch war – und was den Instrumentations-Guru Hector Berlioz, der sich so eindringlich wie letztlich vergeblich für Weber eingesetzt hatte, an diesem so faszinieren musste.

Da ist zum einen der farblich höchst effektvolle Einsatz von Holz- wie Blechbläsern, von Haselböck mit den Streichergruppen perfekt abgemischt, da ist aber vor allem auch ein in dieser Symphonie an allen Ecken und Enden aufblitzender Hang zum Unerwarteten, Unkonventionellen. Ein regelrechtes musikalisches Überraschungsei. Alleine schon die Idee, dem Bratschen-Thema des Variationen-Satzes einen Hornruf voranzustellen, ist höchst originell, nicht zu reden von den durch Pausen und Synkopen erreichten Rückungen im sogenannten Menuett, die auch einen Überraschungs-Großmeister wie Haydn neidisch gemacht hätten. Fazit: Mehr Weber wagen.

Scharf, aber nicht überwürzt

Und mehr Hammerklavier wagen. Beethovens Klavierkonzerte gelegentlich auf dem Instrument zu hören, für das es geschrieben wurde, kann die Ohren öffnen und die Sinne schärfen – vor allem wenn wie diesmal bei Nr. 2 in B-Dur ein so sensibler Gestalter wie der Niederländer Ronald Brautigam an den Tasten sitzt. Mag auch Beethovens eigene Wertschätzung für dieses Werk eingeschränkt gewesen sein („welches ich zwar für keines von meinen besten ausgebe“), Brautigams Wertschätzung für die aus seinen Fingern perlenden Girlanden des Soloparts ist umso ausgeprägter. Er nimmt jede Phrase, jede Passage so ernst wie nötig – und dabei so leicht wie möglich. Der transparente Klang des Hammerklaviers bringt dabei Manches zu Gehör, das bei einem modernen Konzertflügel gerne verschüttet wird. Klar strukturiert mit scharf gesetzten, aber nicht überwürzten Akzenten wird auch der Solopart trotz der im Vergleich zu einem modernen Klavier prekäreren Balance zum Orchester nicht verschüttet.

Mozarts Menuett auf dem Vulkan

Dieses hatte zum Abschluss mit Mozarts Jupitersymphonie noch einmal seinen großen Auftritt. Selten wird des Komponisten letztes Wort zu dieser Gattung mit einer derartigen Frische und Vitalität musiziert. Haselböcks Interpretation strotzt vor allem in den Ecksätzen förmlich für Jugendlichkeit, Kraft, und Tatendrang, unterstützt von einer betont kurzen Artikulation. Vor diesem Grundtonus entfaltet die harte, fallende Chromatik des dritten Satzes eine geradezu verstörende Wirkung, die dieses Menuett fast als Tanz auf dem Vulkan empfinden lässt. Der Vulkan bricht vielleicht noch nicht bald aus. Aber sicher. Zuvor bricht jedenfalls Molto Allegro ein kontrapunktisches Feuerwerk aus, das Dirigent und Orchester in mustergültiger Durchhörbarkeit gestalteten. Anhaltender, dankbarer Applaus.

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