Die Gruberova: Zerbinetta eterna

(c) APA (Herbert P. Oczeret)
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Die Staatsoper spielte zum 150. Mal ihre Richard-Strauss-Inszenierung, diesmal fulminant unter Kirill Petrenkos Leitung – zur Feier des 35-jährigen Jubiläums eines singulären Stimmphänomens.

Fast auf den Tag genau 35 Jahre nach ihrem Debüt in dieser Partie sang Edita Gruberova noch einmal die Zerbinetta. Das Gemisch aus technischer Bravour und kapriziös-ironischer Doppelbödigkeit, in dem der Komponist und sein Dichter Hofmannsthal ihre artifizielle Bühnenfantasie auf die Spitze treiben, war in den dreieinhalb Jahrzehnten so etwas wie die natürliche Heimat für Stimme und Spielkunst der slowakischen Primadonna: Gruberova war Zerbinetta. Mehr noch als jede fragile Leidensgestalt der Belcanto-Ära schien der distanzierte Ästhetizismus dieses einzigartigen Hybrid-Stücks die ebenso einzigartigen Fähigkeiten der Sängerin ins rechte Licht zu rücken.

Die Premiere der am Sonntag zum 150. Mal gespielten Filippo-Sanjust-Inszenierung brachte im Oktober 1976 unter Karl Böhms Leitung den internationalen Durchbruch der Gruberova. Wiener Musikfreunde wussten der phänomenalen Koloraturgewandtheit der Künstlerin schon zuvor Hymnen zu dichten. Doch ab diesem Premierenabend war die Gruberova ein Weltstar. Und sie singt diese Partie (beinahe zum 100. Mal allein in Wien!) nach wie vor mit der Präzision und Geschmeidigkeit von damals – hat freilich an Grandezza und, besonders sympathisch, an Selbstironie zugelegt. Die Koloraturstimme ist eine Koloraturstimme geblieben, hat sich nicht ins Lyrische oder gar Dramatische entwickelt – vor allem aber keinen Millimeter von ihrer legendären Höhensicherheit eingebüßt.

Hohe Schule des Koloraturgesangs

Die zentrale Arie, schwierigster Prüfstein des Koloraturgesangs, hat der Gruberova niemand „vorgesungen“. Es singt ihr keine nach! Die Staatsoper gesellt ihrer Zerbinetta eterna zum Jubiläum ein gutes, kein außerordentliches Ensemble zur Seite. Camilla Nylund steht als Ariadne mit schön geführtem Sopran, wenn auch noch ein wenig blass im Ausdruck, an der Seite des im letzten Moment eingesprungen Kanadiers Lance Ryan, der dem Bacchus ein wenig steif, doch unbekümmert selbst angesichts der kraftvollen Anrufung der „ewigen Sterne“ die Stimme leiht. Ekstatische Aufwallungen, die märchenhafte Leuchtkraft der Musik kam ausschließlich aus dem Orchester, das unter Kirill Petrenkos Leitung mit einer Klangschönheit und dramatischen Verve wie seit Böhms Zeiten nicht mehr Straussens filigrane Partitur realisierte.

Schon im Vorspiel war an den viele minuziös ausgefeilten Einwürfen und karikierenden Klangkommentaren zu hören, warum gerade „Ariadne auf Naxos“ einst als besondere Force wienerischer Interpretationskunst galt. Hier kann das Orchester sich en gros und im Detail von seiner besten Seite zeigen, virtuos, beredt, vor allem bereit, jene biegsamen, den Stimmen angeschmiegten Miniaturdramen zu modellieren, über die in durchschnittlichen Aufführungen in der Regel achtlos hinwegmusiziert wird. Diesmal wurden sie Ereignis. Wobei noch in den Augenblicken tönender Euphorie Schwung, Leichtigkeit, Transparenz herrschten, was etwa Michaela Selinger das Leben als „Komponist“ im Vorspiel überhaupt erst möglich machte: Die sympathische junge Sängerin gestaltet die Rolle zauberhaft, hat aber mit den extremeren Vokalpassagen doch (noch) zu viel Mühe, um der Figur auch stimmlich Profil zu verleihen. Michael Volle als Musiklehrer und Markus Eiche als Harlekin füllen ihre Parts dagegen auch musikalisch aus – das Nymphen-Terzett und das Komödianten-Quartett schienen zumindest liebevoll konzertiert; auch das eine Rarität und ein Verweis auf die Revitalisierungsmöglichkeiten des Ensemble-Geistes. Das Haus am Ring steckt doch noch voll der Chancen – wenn man sie zu nutzen versteht.

Ariadne auf Naxos: 11. und 16. September.

AUF EINEN BLICK

Edita Gruberova, Koloratur-Wunder aus Pressburg, debütierte als Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ 1970 in Wien. Die Zerbinetta sang sie erstmals im September 1973 in der Staatsoper, 1976 dann in der Premiere unter Karl Böhm. Damit begann der Siegeszug der Künstlerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2008)

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