Tenor Dallapozza : „Heute fehlen die Persönlichkeiten!“

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Erinnerungen einer lebenden Legende an 50 Jahre Volksoper: Tenor Adolf Dallapozza über strenge Dirigenten, gesangliche Ideale und Vorzüge des Ensembles.

Seit 50 Jahren steht Adolf Dallapozza auf der Bühne der Volksoper: erst im Chor, seit 1963 als Solist. Der Publikumsliebling erzählt von den Anfängen als Opern- und Operettentenor, als er sich in Bescheidenheit zu üben hatte: „Als ich begann, waren im Volksopernensemble Stars, zu denen man nur aufgeschaut hat. Man hat sich nicht in den Nähe getraut. Ich hätte diesen Leuten die Hände geküsst, hätten sie uns Ratschläge gegeben...“

Doch für Neulinge im Ensemble gab es Hilfestellung der Dirigenten: „Wir hatten damals wirkliche Erzieher. In der Oper Argeo Quadri, in der Operette Anton Paulik – Respektspersonen von unglaublicher Autorität. Paulik war's, der gesagt hat: Wenn du mir die ,Fledermaus‘ nicht singst wie Mozart, erschlag' ich dich; da eine Achtel, da punktiert. Details, die dem normalen Hörer überhaupt nicht auffallen, wurden penibel korrigiert.“

Die Manöverkritik war nicht immer leicht zu ertragen: „Man hatte auch ein wenig Angst. Zehn Minuten vor Ensembleproben mit Quadri standen alle habt acht. Dann schwere Schritte: Der Maestro kommt. Er merkte sich alles: Letztes Mal vor drei Wochen war diese und jene Stelle schlampig, bitte genauer! Er holte einzelne Sänger auch ins Zimmer, um Stellen zu üben. Das gibt es heute nicht mehr, auch nicht in der Operette: Dass Sänger nach Belieben einen hohen Ton einlegen, hätte der Paulik nie erlaubt!“

Dallapozzas Volksopernleben begann im Chor, 1958: „Ich kann mich genau erinnern, meine erste Vorstellung war ,Land des Lächelns‘. Ich war richtig nervös, obwohl ich ja nur in der Masse gestanden bin! Damals habe ich all die großen Stimmen gehört, die da aufgetreten sind. Ein Freund, Bariton, hat in der Wohnung meiner Eltern Gesang unterrichtet. Ich hatte ja Klavier gelernt, damals die Sänger immer begleitet, mit meinen bescheidenen Mitteln, halbwegs konnte man singen dazu. Ich habe dem Freund vorgesungen. Er war skeptisch: Wenn du fünf Jahre lernst, geht es sich für den Chor vielleicht aus. Na, für den Chor ging sich's aus!“

Vom Direktor regelrecht geschunden

In der Oper „Ivan Tarassenko“ vom damaligen Direktor Franz Salmhofer wurde Quadri auf Dallapozza aufmerksam, der eine Solopartie im Chor übernommen hatte: „Er hat mir den Floh ins Ohr gesetzt, ein Jahr weiterzustudieren, um dann vorzusingen. Salmhofer hat mich dabei regelrecht geschunden, ich musste zehn Arien singen. Dann hat er mir einen Elevenvertrag gegeben. In der ,Verkauften Braut' habe ich den Ottokar gesungen: Meine erste Inszenierung, die ich mit dem Regisseur, Adolf Rott, erarbeiten durfte. Aber, ehrlich gesagt: Welcher Regisseur kümmert sich schon um den Ottokar?“

Vorbilder fand der junge Dallapozza auch außerhalb der Volksoper: „Mario del Monaco war für mich Idealbild eines Tenors. Ein musikbegeisterter junger Mensch weiß ja nichts von Technik, hört nur die Stimme. Ich dachte immer: So muss man singen. Bis ich draufkam, dass es technisch keineswegs ideal war, was del Monaco tat. Als Student hörte ich dann Sänger wie Benjamino Gigli, Tito Schipa, in der Operette den phänomenal phrasierenden Richard Tauber. Heute fehlen vor allem solche Persönlichkeiten! Es gibt Stimmen, aber meist fehlt etwas: Nach fünf Minuten Begeisterung wird's fad. Beim Singen geht es nicht immer nur um Schönheit: Manchmal hätte man den späten Di Stefano erwürgen können, wenn man gehört hat, wie er gesungen hat. Aber es war vom ersten bis zum letzten Ton interessant!“

Georg Solti dirigierte zu eckig

Ein weiteres Problem unserer Zeit scheint Dallapozza die Fluktuation in den Ensembles: „Die Volksoper hatte ein tolles Ensemble, die Sänger sind lange dageblieben. Heute verschwinden Talente meist schnell, nehmen andere Engagements an. Für mich ist die Volksoper das Mutterhaus geblieben. Ich hatte Verträge in Häusern wie München und Hamburg, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Volksoper zu verlassen. Ein oder zwei Jahre, unter Gamsjäger, bin ich ins Staatsopernensemble übersiedelt, aber ich kam sofort zurück, als Karl Dönch Volksopernchef wurde. Am Ring hätte ich unter Christoph von Dohnanyi den David in Otto Schenks ,Meistersinger‘-Inszenierung singen sollen. Aber Gamsjäger hat mich da nicht auftreten lassen, weil ich in die Volksoper zurückgegangen bin. David sang ich nur auf der Schallplatte mit Georg Solti: Die Aufnahme mag ich gar nicht so, wenn ich ehrlich bin. Es war sehr schwer, bei seinen eckigen Bewegungen locker zu singen.“

Anderen Dirigenten machte es Dallapozza schwerer: „Wenn mir einer blöd kam und unangenehm wurde, war ich trotzig und hab den Ton noch schiacher g'sungen“, sagt er offen – und fragt sich nach so vielen Jahren treuer Ensemblemitgliedschaft: „Darf man das sagen: Bin ich eine lebende Legende?“ Er ist. Am 6. November feiert er in seinem Haus das „halbe Jahrhundert Dallapozza“ – als Eisenstein in der „Fledermaus“.

ZUR PERSON

47 Premierenin der Volksoper hat Adolf Dallapozza mitgestaltet. Dabei war der Sänger in 74 unterschiedlichen Partien insgesamt 1893 Mal zu erleben. Zu seinen größten Erfolgen gehörten „West Side Story“, „Vogelhändler“, „Regimentstochter“, zuletzt auch die Hexe in „Hänsel und Gretel“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2008)

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