Buchbinder präpariert die Radikalität Beethovens heraus

Rudolf Buchbinder.
Rudolf Buchbinder.(c) Teresa Zötl
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Der Pianist gab im Musikverein eine fulminante „Waldstein“-Sonate und eine scharf akzentuierte „Pathétique“.

Was gibt es an einem Werk wie Beethovens „Pathétique“ noch zu entdecken? Wer das fragt, hat die Rechnung ohne Rudolf Buchbinder gemacht, seit Jahrzehnten Entdeckungsreisender in Sachen Beethoven und ungebrochen neugierig. Auf seiner Zyklusreise durch dessen Sonatenkosmos steuerte er am Donnerstag zwei prominente Stationen an: als fulminanten Abschluss die „Waldstein“-Sonate und eben die „Pathétique“. Buchbinders Interpretation dieser frühen c-Moll-Sonate ist aufregend: Nicht durch das Brechen von Geschwindigkeitsrekorden, wie es hier mitunter passiert, sondern durch scharfes – aber nicht brutales – Akzentuieren, wodurch er die Radikalität und Kompromisslosigkeit dieser Komposition herauspräpariert. Man vermeint, ein wenig vom unerhört Neuen zu spüren, mit dem Beethoven da seine Zeitgenossen konfrontiert hat.
Das ist die Makroebene. Auf der Mikroebene fördert der Pianist immer wieder Kostbarkeiten ans Tageslicht, etwa eine versteckte, aber reizvolle Mittelstimme – nicht mit dem Zeigefinger des Lehrers allerdings, sondern eben der Freude des Entdeckers.

Und mit der Freude des Virtuosen stürzt sich Buchbinder in den fingertechnischen Hochleistungssport namens „Waldstein-Sonate“. Das Tempo, das er im ersten Satz anschlägt, ist offensiv, aber nicht so überhastet, dass dabei musikalisch Wesentliches verschluckt würde. Ganz im Gegenteil, die Interpretation ist von erhellender Klarheit. Sehr organisch gelingt einer der heikelsten Momente, das Hinübergleiten vom Adagio ins Rondo, das Buchbinder von einem zarten, tastenden Keim wunderbar aufblühen lässt. Nach all den pianistischen Herausforderungen setzt er auch noch die berüchtigten Oktavenglissandi butterweich in die Tasten. Dass Buchbinder nicht nur die Schlachtschiffe des Zyklus zu schätzen weiß, hat er mit der vielen Klavierschülern vertrauten G-Dur-Sonate Opus 49/2 bewiesen, deren zweiten Satz er als das behandelte, was er ist: ein musikalisches Kleinod.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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