Patricia Petibon: "Ich höre mir selbst zu"

(c) APA (Barbara Gindl)
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Als Despina verwirrt Patricia Petibon die übrigen Protagonisten in Mozarts »Così fan tutte« in Salzburg. Doch dabei will es die quirlige französische Sopranistin nicht bewenden lassen.

Heuer ist sie die Despina in Claus Guths Neuinszenierung von Mozarts „Così fan tutte“, ein Kammerkätzchen, wenn man so will. 2010 wird Patricia Petibon bei den Salzburger Festspielen ein ganz anderes, „das wahre Tier, das wilde schöne Tier“, wie es in Frank Wedekinds Text apostrophiert wird, darzustellen haben: die Lulu in Alban Bergs gleichnamiger Oper. Nikolaus Harnoncourt hat sich für sein Berg-Operndebüt die französische Künstlerin in dieser Rolle gewünscht. Die Künstlerin, die man hierzulande eher als Mozart-Interpretin oder als Schwester Constance in Poulencs „Gesprächen der Karmeliterinnen“ (Theater an der Wien) kennt, freut sich auf diese für sie ungewöhnliche Herausforderung.


Eine Partie aus dem Repertoire der musikalischen Moderne, so kennt Sie Ihr Publikum kaum. Wie weit ist das für Sie Neuland?

Patricia Petibon: Ich habe schon Modernes gesungen, aber natürlich noch nie eine dermaßen anspruchsvolle Partie. Die Lulu ist nicht nur schwer zu singen. Sie ist auch eine ungewöhnlich lange Partie. Ich übe seit vielen Monaten – das Debüt ist ja für kommendes Frühjahr in Genf vorgesehen. Ich möchte das Stück vor Salzburg perfekt durchgearbeitet haben.

Die Partnerschaft mit Nikolaus Harnoncourt kam ja seinerzeit durch Zufall zustande.

Stimmt, Alice, seine Frau, hat mich im Fernsehen gesehen und ihren Mann auf mich aufmerksam gemacht. Mit ihm zu arbeiten ist herrlich: Wir verstehen uns ohne viele Worte.

Berühmt geworden sind Sie ja durch die Arbeit im Ensemble eines anderen Maestros.

Meine Heimat waren William Christies „Arts Florissants“. Wir haben viel französische Barockmusik gemacht, aber auch einiges aus dem Repertoire der Opéra Comique des 19. Jahrhunderts.

Was waren denn die ersten Kindheitserfahrungen mit Musik und dem Theater?

Ich komme nicht aus einem Musikerhaushalt. Meine Eltern waren zwar Melomanen (Anm. Musikbesessene), aber keine Musiker. Sie haben mich jedenfalls schon als Kleinkind ins Theater mitgenommen. Vom ersten Besuch ist zumindest so viel haften geblieben, dass ich ganz begeistert war, dass auf der Szene alles rosa und blau gewesen ist. Und jetzt, da Sie mich fragen, fällt mir wieder ein, dass meine Eltern CDs mit Wiener Walzern und französischen Operetten zu Hause hatten, die ich mit drei oder vier Jahren immer wieder hören wollte. Gesungen wurde auch viel daheim. Das war ganz natürlich. Aber ich hätte mir nie gedacht, dass ich das einmal zum Beruf machen würde.

Was hätten Sie denn gern gemacht?

Kosmonautin. Ich wollte zum Mond fliegen! Eine Zeitlang wollte ich dann Tierärztin werden. Musik habe ich für mich selbst gemacht. Es hat mir Freude gebracht. Vor allem wollte ich ganz dringend Klavier spielen. Ich wollte dieses Instrument berühren.

Als es so weit war, wollten Sie's genau wissen, haben nicht einfach Gesang studiert.

Ja, ich habe Musikwissenschaft studiert. Und dabei übrigens immer bedauert, dass ich mich damals entscheiden musste und mich nicht weiterhin auch in die Bildende Kunst vertiefen konnte. Ich habe auch gern gemalt. Während des Gesangsstudiums bei Rachel Yakar am Pariser Conservatoire habe ich aber irgendwie die Kunst verloren – und jetzt sehe ich doch, wie viel Kunst am Theater gebraucht wird...

Auch für eine musikwissenschaftlich gebildete junge Sängerin ist es aber doch recht weit vom Konservatorium auf die internationalen Bühnen?

Ich habe immer gewartet. Ich kann warten. Kommt es, ist es gut, kommt nichts, ist es auch gut. Ich arbeite – und wenn eine Chance da ist, dann ergreife ich sie. Zuerst habe ich im Chor gesungen – Mozart, auch Operetten. Das erste Mal, dass ich als Solistin auf einer großen Bühne stand, das war in Jean-Philippe Rameaus „Hippolyte et Aricie“ im Pariser Palais Garnier – übrigens war ein Verwandter von mir Assistent von Chagall, als der dort sein Deckengemälde malte!

Vom Opernerstling eines Jean-Philippe Rameau zu Alban Bergs Zwölftondrama führt nicht nur musikhistorisch betrachtet ein weiter Weg. Wie gehen Sie bei der Erweiterung Ihres Repertoires vor?

Ich höre auf meine Stimme. Und zwar buchstäblich. Ich nehme meine Proben auf – vor allem die mit Orchester – und höre mir diese Aufnahmen dann an. Das ist, wie wenn man sich in den Spiegel schaut. Wenn man älter wird, wird auch die Stimme älter. Sie verändert sich jeden Tag.

Und wie reagieren Sie darauf?

Ich arbeite. Eine Stimme ist wie eine Pflanze, der man immer genügend Wasser geben muss. Das Problem ist natürlich: Du kannst deinen Lehrer nicht in den Koffer packen. Das ist andererseits wieder ganz gut, denn es ist auch Vorsicht geboten: Jeder Sänger ist anders, letztendlich muss man den Mut haben, in seinen Entscheidungen unabhängig zu sein. Ich arbeite auch mit Kollegen, und zwar ohne dass die das merken, indem ich ihnen zuhöre und zusehe. Mit Plácido Domingo zum Beispiel. Es gibt auch einige Pianisten, die sehr viel von Stimmen verstehen und mit denen man wunderbar arbeiten kann. Aber man darf es nicht übertreiben. Ich jedenfalls übertreibe nichts. Denn ich bin in Wahrheit sehr faul. Jedenfalls gönne ich mir pro Jahr wenigstens ein, zwei Monate Ferien.

Was sagt Ihre Selbstkontrolle: Wo ist gerade der ideale Ort für die Sopranstimme der Patricia Petibon?

Wenn ich jetzt sagen kann, dass eine Partie wie die Aspasia in Mozarts „Mitridate, re di Ponto“ für mich ideal ist, hoffe ich doch, dass ich einmal auch die „Figaro“-Gräfin singen werde. Ich wünsche mir auch, Belcanto zu singen, Bellini vor allem. Vielleicht auch irgendwann Verdis „Traviata“.

Und aus der „Lulu“-Generation?

Die Ann in Strawinskys „Rake's Progress“ zum Beispiel wäre super.

In Salzburg singen Sie heuer nicht nur Mozart. Sie geben am 13. August auch mit der Pianistin Susan Manoff einen Liederabend – und der wird „inszeniert“ sein, wie man das etwa in Wien schon erleben konnte.

Ja, bei einem Liederabend bin ich mein eigener Regisseur. Darum sind meine Recitals oft recht speziell, jedenfalls nicht in der klassischen Manier. Ich finde, man kann das Publikum ruhig auch einmal ein bisschen verwirren. Wie das manche Komponisten ja auch tun. Eric Satie zum Beispiel. Satie hat so viel Fantasie. Er war übrigens mein Ideal als Kind!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2009)

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