Dvoraks "Geisterbraut": Von Hochzeit mit Toten ist abzuraten

RSO-Chef Cornelius Meister
RSO-Chef Cornelius Meister(c) APA/ANGELIKA WARMUTH (ANGELIKA WARMUTH)
  • Drucken

Die Wiener Singakademie zeigte sich im Konzerthaus in Bestform, glanzvoll auch die Solisten Pavol Breslik und Adam Plachetka.

So lange hat sie gewartet auf ihren Bräutigam: da fällt es dem gottesfürchtigen Mädchen bei des Liebsten ersehnter Rückkehr zuerst gar nicht auf, dass er schon tot ist. Doch nach und nach beraubt er sie aller Gegenstände, die ihr Halt geben: das Gebetbuch, der Rosenkranz, das Kreuz - und schließlich auch noch die von ihr genähten Brauthemden (nach denen Antonìn Dvoraks "Geisterbraut" im Original benannt ist). Da dämmert es ihr, spät aber nicht zu spät, und es kommt zum Showdown, den die junge Frau mit einem Stoßgebet an die Jungfrau Maria für sich entscheidet.

Vielleicht liegt es auch ein wenig am heutigen Ohren recht entfernt klingenden Stoff, dass Antonin Dvoraks Chorballade trotz der packenden musikalischen Umsetzung so selten den Weg auf Konzertprogramme findet (wobei: auch Opern, in denen Geiserschiffkapitäne, Hexen, oder wundertätige Flöten vorkommen, erfreuen sich anhaltender Beliebtheit). Vor allem sind es wohl die Anforderungen, die das Stück stellt. Man braucht drei durchsetzungsstarke, im Idealfall sprachkundige Solisten, man braucht einen Gestalter am Dirigentenpult, der mit langem Atem die Spannung über gut 80 pausenlose Minuten hinweg hält, und man braucht vor allem einmal einen Chor, dem der tschechische Originaltext flüssig von den Lippen gehen muss, bevor man mit der eigentlichen vokalen Arbeit beginnen kann.

Gänsehaut ausbaufähig

Die Wiener Singakademie hat unter der Leitung von Heinz Ferlesch im Wiener Konzerthaus diese Herausforderung mit Bravour gemeistert, und so konnte der Chor der Hauptrolle, die ihm zugedacht ist, voll und ganz gerecht werden. Vom säuselnden Piano bis zum überwältigenden, sogar den großen Konzerthausaal fast sprengenden Fortissimo, von der harten Attacke bis zum behutsamen An- und Abschwellen agierte die Singakademie bezwingend homogen. Eine starke Vorgabe für Bassbariton Adam Plachetka, der sich mit dem Chor die Erzählerrolle zu teilen hat und oft alleine diesem vokalen Sturm entgegensingen muss. Er teilt sich seine Stimme aber klug ein, sodass er bei seinem großen Auftritt am Schluss noch einmal kraftvoll glänzen kann. Auch Pavol Breslik als toter Liebster kommt mit seinem verführerisch schön geführten lyrischen Tenor gut durch, Simona Saturova in der Rolle des Mädchens hatte hingegen im Piano - das gerade in ihren zwei Gebeten, symmetrisch an den Anfang und das Ende gesetzt, Mühe, sich gegenüber dem Orchester Gehör zu verschaffen. Manch berührende Linie musste da mehr erahnt werden. Sobald sie ihre Stimme aber aufblenden konnte, agierte auch Saturova sehr überzeugend, intonationssicher ohnehin.

Cornelius Meister führte sein RSO Wien sicher durch die Seelenstürme der Partitur, das Orchester erfreute mit warm-sattem Streicherklang und beredt ausformulierten Holzbläser-Soli, doch alles hat Meister aus dem Werk wohl nicht herausgeholt, eine drastischere Farbgebung und härtere Kontraste hätten den Gänsehaut-Faktor, von dem das Werk ja doch lebt, aber erhöhen können.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.