Jakob Feyferlik: Pfadfinder und Prinz

(c) Christine Ebenthal
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Jakob Feyferlik tanzt nach seinem rasanten Aufstieg zum Solotänzer die Hauptrolle, Jean de Brienne, in der Wiederaufnahme von Rudolf Nurejews Kreuzrittersaga „Raymonda“.

Er ist einer der Größten im Wiener Staatsballett: 1,85 Meter. Doch auch seine Karriere lässt sich sehen. Demnächst muss Jakob Feyferlik als Solotänzer zeigen, ob er hält, was er bisher versprochen hat. In Rudolf Nurejews Choreografie des Ballettklassikers „Raymonda“ tanzt er den tapferen Ritter Jean de Brienne, der seine Braut aus den Fängen des wilden Abdelrachman rettet.

Angst vor dieser Feuerprobe hat der 20-Jährige, der nach der Nurejew-Gala im vergangenen Juni von Ballettdirektor Manuel Legris blitzartig aus dem Corps de Ballet zum Solotänzer katapultiert wurde, nicht: „Noch sitzen nicht alle Schritte“, sagt Feyferlik nach einer kräfteraubenden Probe, in der auch die alternativen Ritter (Denys Cherevychko, Robert Gabdullin) für ihre Auftritte mitlernen, „aber ich merke mir neue Variationen leicht und bin dankbar für jede Korrektur. Das brauche ich noch.“
Ballettmeisterin Alice Necsea korrigiert liebevoll und gönnt den drei Unermüdlichen viele Pausen: „Sie sind noch müde von der anstrengenden Vorstellung gestern Abend. Da muss ich rücksichtsvoll sein.“ Auch Jakob spürt seinen Auftritt am Vorabend als Frühling in Jerome Robbins fröhlichem Ballett „The Four Seasons“. „In der Früh waren meine Beine bleischwer. Der Frühling ist nur eine kurze Rolle, aber wirklich schwer zu tanzen.“

Herzlich. Über schwierige Rollen aber will er nicht klagen: „Ich mag die Herausforderungen wie den Kay in der ‚Schneekönigin‘ oder den ersten Akt in George Balanchines ,Symphonie in C‘.“ Dass er dabei oft Natascha Mair als Partnerin hat, macht ihm die Sprünge, Schritte und Hebungen leichter. „Wir sind gemeinsam in der Ballettakademie der Staatsoper gewesen, das prägt, wir haben wirklich ein herzliches Verhältnis.“ Nur gegenüber Natascha erlaubt er sich hier und da, für den gemeinsamen Pas de deux Korrekturen vorzuschlagen. „Sonst mache ich das nicht, das ist ja auch unhöflich, denn meistens ist doch der Herr schuld, wenn ein Patzer passiert.“ Er lässt sich lieber von den erfahrenen Partnerinnen korrigieren. Seine Raymonda, die in Ungarn auf ihren Verlobten, Jean, wartet, der als Kreuzritter mit dem König in den Krieg gezogen ist, ohne dass sie ihn vorher kennengelernt hat, wird die Erste Solotänzerin Nina Poláková sein. Nur im Traum erscheint Raymonda die schöne Gestalt des Bräutigams. Doch während sie sich süßen Illusionen hingibt, versucht der glutäugige Sarazenenfürst Abdelrachman, sie zu entführen. Jean de Brienne muss das geahnt haben. Im Flug hat er das Ritterheer verlassen, um seine unbekannte Braut zu retten. Die Liebe entflammt auf den ersten Blick. Es folgt der dritte Akt – Hochzeitsfest mit Paprika. Die Ungarn marschieren, defilieren, galoppieren. Raymonda und Jean geben sich der Liebe hin: Grand Adagio. Apotheose. Applaus.

Beinarbeit. Nicht nur die männliche Hauptrolle ist dank Nurejew schweißtreibend mit heftiger Bein- und Fußarbeit verbunden, auch die Dame Raymonda, Gräfin de Doris, hat es nicht leicht, steht sie doch in allen drei Akten auf der Bühne (neben Poláková studieren auch Liudmila Konovalova und Maria Yakovleva die Titelrolle ein). „Mit der Musik muss ich erst vertraut werden“, gesteht Feyferlik, der anfangs vom Korrepetitor am Klavier begleitet wird. Sie stammt von Alexander Glasunow, einem Schüler Nikolai Rimski-Korsakows. Mehr als sechzig Jahre nach der Uraufführung, 1898, verdiente sich ein junger Tänzer aus Russland mit seiner Version des Balletts die ersten choreografischen Sporen: Nurejew inszenierte „Raymonda“ für das Royal Ballet. Noch drei Versuche benötigte er, bis er 1983 die endgültige (fünfte) Fassung der Pariser Ballettcompagnie zum Einstand als neuer Direktor schenkte. Zwei Jahre später fand die Wiener Premiere dieser Version statt. Vierzigmal war die Ritterromanze in Wien zu sehen, bis das Ballett 1999 eingemottet wurde. Legris hat es jetzt aus der Kiste geholt und neu einstudiert.

Die Vorgaben für Feyferlik sind enorm: Nicht nur Nurejew, der Tanzlegende, die besonderen Wert auf die männlichen Partien gelegt hat, muss er nacheifern. Auch Ballettchef Legris droht als Vorbild. Er hat die Rolle mit Nurejew persönlich einstudiert. Feyferlik fürchtet sich dennoch nicht. Ausgestattet mit einem gesunden Selbstbewusstsein und viel aufbauendem Feedback, weiß er, nach einigen Zweifeln, „dass ich als Solotänzer am richtigen Platz bin“. Falls es Missgunst unter den Kollegen gibt, kümmert er sich nicht darum, „doch bemerkt habe ich davon nichts. Ich kann eigentlich mit allen Menschen gut, ich habe noch immer einen großen Freundeskreis von Studienkollegen, das macht mir das Leben leicht.“

Nesthäkchen. Der Blick ins Bilderbuch zeigt Jakobs Schwester Viktoria wie sie den zehn Jahre jüngeren Bruder, das Nesthäkchen unter den drei Geschwistern, als „Babypuppe“ mit Dehn- und Streckübungen vertraut macht. Viktoria, karenzierte Tänzerin im Volksopernensemble des Staatsballetts, „hat mich zum Ballett gebracht. Schon als kleiner Bub bin ich immer mit ihr ins Training gegangen.“ Bald konnte Jakob sämtliche Frauenrollen tanzen und sich auch nichts anderes vorstellen, als Balletttänzer zu werden. „Meine Mutter hat nichts dagegen gehabt, aber gepusht hat sie mich nicht.“ Zum Dank hat er für die Eltern die Matura bestanden. „Danach habe ich gewusst, jetzt bin ich frei und kann tanzen, so viel ich will.“

Die Grundbegriffe erlernte er im Tanzstudio Maar in Perchtoldsdorf, dann studierte er am Konservatorium (Privatuniversität) der Stadt Wien bei Karl Musil, danach wechselte er an die Ballettschule (Ballettakademie). „Dort hat mich meine Lehrerin, Evelyn Téry, geprägt, sie hat immer einen Ziehsohn. Misha (Sosnovschi) war einer und Davide (Dato), dann war ich dran.“ Gern stellt Téry ihren nun avancierten Schüler als „den neuen Danseur noble“ vor. „Die Prinzenrollen möchte ich tanzen, aber auch Neoklassisches wie den Des Grieux in MacMillans ‚Manon‘.“ Kein Wunder, dass er den deutschen Supertänzer Friedemann Vogel, der Des Grieux auch in Wien schon gezeigt hat, als Ideal nennt. Trotz Dauereinsatz, auch als Gast auf Bühnen, weit über Wien hinaus, ist Feyferlik nicht vom Tanz besessen. „Ich bin kein Freak und habe auch andere Interessen, etwa meine Funktion als Gruppenleiter bei den Pfadfindern. Mir gefiel es als Kind dort, und das wollte ich fortsetzen. Jeden Montagabend findet ein Treffen statt.“ Wenn er nicht auftreten muss.

Tipp

Rudolf Nurejew: „Raymonda“, Wiederaufnahme am 22. 12., sechs weitere Vorstellungen während der Weihnachtsferien bis einschließlich 6.1.2017 in der Wiener Staatsoper.

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