„Don Giovanni“, die komische Tragödie

(c) Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
  • Drucken

Simon Keenlyside und Erwin Schrott nutzen Mozarts Hintergründigkeit an der Staatsoper zu prallem Theater.

Es ist ausdrücklich ein „dramma giocoso“, was Lorenzo da Ponte und Mozart aus dem alten „Don Juan“-Mythos gemacht haben. An der Staatsoper wird das derzeit aufs Vergnüglichste deutlich: Der wiedergenesene Simon Keenlyside und der allzeit alerte Erwin Schrott nutzen Jean-Louis Martinotys zu Unrecht viel verlästerte, sehr hintergründige Inszenierung in den ästhetischen Bühnenbildern Hans Schavernochs zu echter Komödiantik.

Wer da meint, Seccorezitative seien der langweilige Teil einer klassischen Oper, irrt: Sie treiben, zumal wenn sie von Mozart in kluger tonaler Spannung arrangiert wurden, die Handlung aufs amüsanteste voran. Don Giovanni und sein Diener Leporello sind auch in den orchesterbegleiteten Passagen nie um Pointen verlegen – sie unterscheiden sich freilich diametral: Keenlysides Herrenmensch phrasiert und modelliert die Melodien elegant und geschmeidig. Schrott behandelt Mozarts detailgenaue rhythmische Vorgaben wie freizügige Ideengeber; Adam Fischer, der selbst gern eher gestaltend als Taktschlagend auf die philharmonische Kompetenz der Staatsopernmusiker vertraut, hat es nicht immer leicht, Schrott nachzuholen oder wieder einzufangen.

Wunderbare Debütantinnen

Wunderbar die Debütantinnen: Mit Irina Lungu und Dorothea Röschmann stehen einander als Anna und Elvira endlich vokal ebenbürtige, auch zu dramatischer Attacke befähigte Primadonnen gegenüber. Leichtergewichtig geben sich legitimerweise nur die entzückend mädchenhafte, zwischen Pflichtgefühl und Eitelkeit schwankende Zerlina von Ileana Tonca; und ihr gar nicht tölpelhafter Masetto, Manuel Walser, der Text und Musik penibel in Übereinstimmung bringt.

Insgesamt besticht die Harmonie zwischen Komödiantik, durch die oft genug die bitter-tragische Weltsicht der Don-Juan-Tragödie schimmert, und musikalischer Ausdrucksgeste: Was zu sehen und zu hören, gehorcht nicht einem abstrakten Präzisionsbegriff, sondern theatralischen Kriterien.

Das sichert dem Abend die nötige Lebendigkeit und Leichtigkeit, wovon sich introvertierte Momente wie Keenlysides Ständchen, die Ottavio-Arien des fabelhaften Benjamin Bruns, auch die metaphysischen Schauer der Höllenfahrt, deren Klangwogen der Komtur Sorin Colibans mühelos durchdringt, entsprechend drastisch abheben. Die Sache stimmt (bei kleinen Unschärfen) im Ganzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.