Scala: Pfiffe für "teuflische" Inszenierung von "Carmen"

Carmen an der Scala: Anita Rachvelishvili spielt die Titelfigur und Jonas Kaufmann ist Don José
Carmen an der Scala: Anita Rachvelishvili spielt die Titelfigur und Jonas Kaufmann ist Don José(c) AP (MARCO BRESCIA)
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Jugendgefährdend, diabolisch und hässlich: Die neue "Carmen" an der Scala erhitzt die Gemüter. Regisseurin Dante verteidigt sich gegen die Kritik: Italien sei zu konservativ und ein "Land für alte Leute".

14 Minuten Applaus folgt tagelange Aufregung: Die "Carmen"-Inszenierung an der Mailänder Scala erregt in Italien Aufsehen. Während Dirigent Daniel Barenboim, die georgische Sängerin Anita Rachvelishvili, die die Titelrolle verkörpert, und das Scala-Orchester bei der Premiere bejubelt wurden, erntete die Sizilianerin Emma Dante Pfiffe, die zu Italiens prominentesten und innovativsten Theaterregisseurinnen zählt, für ihre Inszenierung Pfiffe. Vor allem das Bühnenbild und einige religiöse Symbole brachten das Publikum auf.

"Carmen in einen Teufel verwandelt"

Zu den schärfsten Kritikern der Inszenierung gehört Starregisseur Franco Zeffirelli. "Ich glaube an den Teufel, und an der Scala habe ich den Teufel auf der Bühne gesehen. Diese Aufführung ist das Ergebnis falscher Beschlüsse, die vor allem für die Jugendlichen gefährlich sind. Wer bisher noch nie eine Opernaufführung gesehen hat, hat einen sehr krassen Konflikt zwischen der wunderschönen Musik und der sehr hässlichen Inszenierung erlebt", sagte Zeffirelli.

AP Photo/La Scala press office, Marco Brescia

Der toskanische Regisseur sparte nicht mit direkten Angriffen gegen Dante. "Sie ist eine unverantwortliche Frau. Die Kostüme sind so hässlich, sie wären sogar für ein Provinztheater ungeeignet. Es ist ein Skandal, dass die Scala ihr die Regie anvertraut hat. Sie hat Carmen in einen Teufel verwandelt. Dante beweist, die Literatur des 19. Jahrhunderts nicht zu kennen. Sie ist voll mit Frauenfiguren, die gegen die Männermacht rebellieren, ohne deswegen Teufel zu sein", sagte Zeffirelli.

"Zeffirelli ist eine Mumie"

Dante wies die Kritik an ihrer ersten Opern-Inszenierung scharfzüngig zurück. "Diese Attacke ist für mich ein Segen. Zeffirelli ist eine Mumie, wenn er mich kritisiert, heißt es, dass ich auf den richtigen Weg bin. Das ist ein gutes Zeichen", sagte die Regisseurin der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera". Sie verteidigt sich gegen vehemente Kritik von Medien und Kollegen. "Italien ist konservativ und traditionalistisch gesinnt. Sobald man etwas Neues wagt, schreien alle auf. Wir sind ein Land für alte Leute, das Neue, das Unbekannte machen instinktiv Angst."

Dante wies auch den Vorwurf zurück, sie habe mit den religiösen Symbolen die Gefühle gläubiger Zuschauer verletzt. "In meiner Carmen gibt es keinerlei Respektlosigkeit gegenüber dem Katholizismus. Ich beziehe eine klare Position gegenüber der Kirche, das stimmt. Die Kirche ist in Italien, einem laizistischen Staat, sehr präsent. Die Symbole auf der Bühne bedeuten aber keineswegs, dass ich Gläubige kritisiere", so die Regisseurin.

Auch Visconti wurde ausgebuht

REUTERS/Teatro La Scala/Handout

Barenboim und Scala-Intendant Stephane Lissner nahmen die Regisseurin in Schutz. "Ich komme aus Israel, dem Land der Propheten, und ich kann Ihnen garantieren, dass diese Carmen zur Legende wird. Ich bin sehr stolz, diese Aufführung dirigiert zu haben", sagte Barenboim. "Kritik ist normal", meint Lissner. "Man wird die Aufführung erst in zwei Jahren ganz begreifen", sagte Lissner. Auch die legendäre "Traviata" unter der Regie Luchino Viscontis sei ausgepfiffen worden, erinnerte der Scala-Intendant.

Proteste vorm Opernhaus

Heiß her ging es auch vor dem Opernhaus: Eine Gruppe von Arbeitnehmern und Gewerkschafter demonstrierte vor der Premiere gegen die Schließung einiger Unternehmen in Mailand. Sie bewarfen die Zuschauer, die das Opernhaus betraten, mit Eiern. Demonstranten verbrannten eine Stofffigur in Form des Fiat-Chefs Sergio Marchionne, der auf Sizilien ein Produktionswerk schließen will. Die Polizei musste mit Tränengas eingreifen, um die Demonstrantengruppen aufzulösen.

Auch die Mitglieder des Scala-Orchesters zeigten sich mit den von der Krise betroffenen Arbeitnehmern solidarisch. Mit einer Schweigeminute bekundeten sie ihre Solidarität mit den Arbeitslosen im Land und protestierten zugleich gegen die Finanzierungskürzungen, die Italiens Opernhäuser belasten.

(APA/Red.)

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