Mahlers Achte, im Musikverein geglückt gewagt

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Symbolbild. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Andrès Orozco-Estrada konnte mit den Tonkünstlern und vielen Chören Jubelstürme für alle einfahren.

Hier die allumfassende, gar von der Mater gloriosa besungene Liebe, dort ein Mammutunternehmen, das die Grenzen des Konzertbetriebes sprengt: Die Akustik – die Kubatur das Großen Musikvereinssaals ist für anderes gebaut und gestimmt –, die Budgets und vor allem die musikalische Koordination von Menschenmassen: drei Chöre, acht Solisten, ein Riesenorchester.

Andrès Orozco-Estrada, kolumbanisches Energiebündel, aufgestiegen aus der Wiener Musikhochschule in eine Weltkarriere, hat für seine Rückkehr an das Pult des Tonkünstler Orchesters mit Mahlers „Achter“ Risiko wie Herausforderung gesucht. Als so flinker wie geschickter Disponent gewann er mit dezidiertem Blick auf Tempi und Lautstärken die Materialschlacht zwischen Sängern und Instrumentalisten.

„Ein unerhört langer Gedanke“

Mahlers Ansprüche erscheinen so grenzenlos wie unmenschlich. Im allerletzten Aufschwung balancieren die Bläser am Rande des (Intonations-)Abgrundes, überleben aber mit Glück. Oder die Orchester-Einleitung zum zweiten Teil mit den geheimnisvollen Pizzicato-Bässen: das ist nicht nur nebelig-verhangen gemeint, sondern sollte Atmosphäre à la Hieronymus Bosch suggerieren – irre Details eines unteilbaren Ganzen. In der thematischen Verquickung von Pfingst-Hymnus und „Faust“-Finale geht es doch – nach den bewundernden Worten von Arnold Schönberg – um den „einzigen, unerhört langen und weiten Gedanken“. Die Aufführung konnte einiges davon vermitteln. Dank der Belastbarkeit der Tonkünstler und den massiven Chor-Leistungen von Wiener Singverein, Slowakischer Philharmonischer Chor und Gumpoldskirchner Spatzen.

Sängerisches Glück bei Mahler zu finden, ist heikel: die Sopranistinnen Catherine Foster und Heidi Melton wagten sich mit wechselnden Erfolgen an Unsingbares, Sunhae Im pries keusch die Gottesmutter, Tenor Robert Dean Smith schien sympathisch deplaciert, Bariton Jochen Schmeckenbecher uninteressiert, nur Günther Groissböck glänzte als Einspringer. Verwirrung bei den Mezzos: Kelley O'Connor war anwesend, für die verletzte Janina Baechle wurde Theresa Kronsteiner eingeflogen. Das wurde nur dem Publikum nicht mitgeteilt, Schlamperei hat in Wien doch gewissen Charme. Schlussendlich dankbare Jubelstürme für alle.

Wiederholung im Wiener Musikverein heute, Mittwoch. Übertragung auf Ö 1 am 7. Jänner 2018, 11.03.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2017)

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