„Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein . . .“

Fr´ed´eric Chopins Originalmanuskript der Variationen über „La ci darem la mano“ aus Mozarts „Don Giovanni“, eine Handschrift des 17-jährigen Komponisten, die sich im Besitz der ÖNB befindet.
Fr´ed´eric Chopins Originalmanuskript der Variationen über „La ci darem la mano“ aus Mozarts „Don Giovanni“, eine Handschrift des 17-jährigen Komponisten, die sich im Besitz der ÖNB befindet.(c) Mozarthaus/Eva Lelety/ÖNB
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Aus Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek speist sich eine Sonderausstellung im Wiener Mozarthaus in der Domgasse, die das Phänomen des einzigartig rasant wachsenden Nachruhms eines Genies beleuchtet.

An die 180.000 Besucher kommen jährlich ins Mozarthaus in der Domgasse hinter der Stephanskirche. Tatsächlich hat man vielleicht nirgendwo in der Welt Gelegenheit, so authentisch Mozart-Atmosphäre zu schnuppern wie hier, wo zwar alles auf dem modernsten technischen Standard gehalten wird, doch in einer behutsam kuratierten Dauerausstellung ein lebendiges Bild jener josephinischen Ära gezeichnet wird, in der das weltweit wohl meistbeachtete Phänomen der Musikgeschichte gedeihen konnte. In den beiden Räumen im dritten Stock, in denen traditionsgemäß eine informative Wechselausstellung Platz findet, zeigt nun erstmals die Österreichische Nationalbibliothek einige ihrer Schätze.

Und ebendieses Phänomen von Mozarts schon zu Lebzeiten beginnendem, bald ins Unermessliche angewachsenem Weltruhm wird hier thematisiert. „Mozarts Weg in die Unsterblichkeit“ heißt die von Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz gestaltete Schau, die von den Kuratoren im Beisein der Direktoren Johanna Rachinger und Gerhard Vitek präsentiert wurde.

Frühe biografische Versuche

Mancher Gemeinplatz der Mozart-Historie basiert ja auf historischer Grundlage, mancher gehört ins Reich der Fiktion; etwa jener, demzufolge der Komponist (am gerüchteträchtigsten von seinem Konkurrenten Antonio Salieri) vergiftet worden sein könnte – was schon bald nach 1791 literarisch verwertet wurde: Ein paar Büchlein in den Vitrinen gleich neben dem Fragment des Requiem-Manuskripts geben davon Zeugnis. Sie stehen neben den ersten biografischen Versuchen – vom Münchner Philologen und Numismatiker Friedrich von Schlichtegroll, „Mozarts Leben“, 1794) und von Theodor Arnold („Mozarts Geist“, Erfurt 1803), der sich entschieden gegen die Vergiftungsthese wandte und Mozart einen lockeren Lebenswandel und Alkoholexzesse zuschrieb.

In solchen Werken mögen sich Dichtung und Wahrheit vermengen. Für manches seit jener Zeit viel zitierte Bonmot findet sich hingegen in der Ausstellung der Beleg: Leopold Mozarts berühmter Brief, in dem er stolz Joseph Haydns Ausspruch über seinen Sohn referiert – er sei „der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne“ – gehört zu den Kleinodien der Schau.

Tatsächlich zum ersten Mal öffentlich zu sehen ist das Originalmanuskript von Frédéric Chopins Opus 2, einer Variationenreihe über das Duett „La ci darem la mano“ aus dem „Don Giovanni“, das sich im Besitz der ÖNB befindet. Faszinierend des 17-jährigen Komponisten kalligrafische Notation, die in der Federstrichstärke sogar zwischen Klaviersolo und Klavierauszug des Orchesterparts feinsäuberlich differenziert.

Zu den frühesten Anverwandlungen Mozart'scher Musik gehören freilich Ludwig van Beethovens beide Variationszyklen über Themen aus der „Zauberflöte“, deren Erstdrucke sich nun im Mozarthaus finden, ebenso wie manche Komposition weniger begabter Zeitgenossen, die sich den Namen Mozarts anarrogierten, um höhere Verkaufszahlen zu erzielen. Dokumente über die rasche Verklärung des Frühverstorbenen, manch kuriose Würdigung, die wohl erste zeichnerische Dokumentation des Dreigestirns Haydn/Mozart/Beethoven, ein hymnisches handschriftliches Dokument von Beethovens Mozart-Verehrung, Spekulationen über Tod und (Armen-)Begräbnis und die ersten hagiografischen Lebensbeschreibungen zeigen, auf welchem Humus die stetig wachsende Mozart-Verehrung gedeihen konnte.

Dass mit diesem Komponisten die Kanonisierung unseres Konzert- und Opernrepertoires begann, ist ja ein unleugbares Faktum. Auch der rasche Nachruhm der „Zauberflöte“ lässt sich an Bildern und Publikationen studieren, die Harrandt und Leibnitz aus den ÖNB-Beständen zusammengetragen haben.

„Mozarts Geist aus Haydns Händen“

Auch zum ersten von vielen Versuchen, eine Fortsetzung dieser Erfolgsoper zu dichten und zu komponieren, liegen die Unterlagen vor: Für Peter von Winters „Der Zauberflöte zweyter Theil“ hat sogar der Originallibrettist Emmanuel Schikaneder den Text beigesteuert. Allein, ohne Mozarts Musik war der Versuch zu jämmerlichem Scheitern verurteilt.

Dass Beethovens Bonner Gönner Graf Waldstein seinem Schützling vor dessen zweiter endgültiger Reise nach Wien – kurz nach Mozarts Tod – ins Stammbuch schrieb, er empfange in der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ sagt ja viel über den geradezu mythischen Stellenwert, den schon die Zeitgenossen dem Frühverstorbenen zubilligten.

„Mozarts Weg in die Unsterblichkeit“: Mozarthaus, Wien 1, Domgasse 5, täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Sonderführungen: an Samstagen um 11 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

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