Die Symphoniker retten Gustav Mahler

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Knapp acht Minuten benötigen die Wiener Symphoniker für das berühmte "Adagietto" aus Mahlers Fünfter, wenn der ehemalige Chefdirigent Wladimir Fedosejew am Pult steht.

Knapp acht Minuten benötigen die Wiener Symphoniker für das berühmte „Adagietto“ aus Mahlers Fünfter, wenn der ehemalige Chefdirigent Wladimir Fedosejew am Pult steht. Die Aufführungsdauer steht quer zu den derzeit üblichen elf bis 14 Minuten. Und doch geht dem scheinbaren Geschwindmarsch zum Trotz die Emotionalität dieser Musik nicht verloren. Schwebende, fließende Klänge, geschmeidige Phrasierung sicherten dem „Liebesbrief an Alma“ den rechten Charakter.

Mahler eigenes Tempo. Tatsächlich hat nach übereinstimmenden Aufzeichnungen Mahler selbst nie länger als siebeneinhalb Minuten für dieses später zur Filmmusik degradierte Stück gebraucht. Das sagt viel über die Überfrachtung seiner Musik durch die Interpretationsgeschichte. Der schlanke, fein differenzierte Klang, den die Symphoniker diesmal erzielten, hat gewiss mehr mit Mahlers Intentionen zu tun als die Hollywood-Geste, mit der man den persönlichen Botschaften dieser Musik gern beizukommen versucht. Unter Fedosejew brillieren auch die Bläser des Orchesters vom fulminanten Trompetenbeginn über exquisite Soli im Scherzo bis zum kontrapunktisch verwickelten Finale, das die Hochstimmung Mahlers am Beginn der Beziehung zur jungen Geliebten mitreißend vermittelte.

Solch gelungene Neubelichtung eines viel gespielten Stücks zum Beginn der Jubiläumsfeiern kann gelingen, wenn ein Orchester einen Dirigenten bestens kennt und dieser weiß, wie man in wenigen Proben ein Maximum an klanglicher Innovation erzielt. Für ein Stück wie Karol Szymanowskis eingangs gespielte Dritte Symphonie gilt solches nicht. Da spürte man von Takt zu Takt, dass die Musiker mit ihren Parts nicht im Schlaf vertraut sind. So klang vieles vorsichtig, gelangen manche allerhöchste Streichertöne keineswegs so einstimmig wie später auch heikelste Mahler-Kantilenen.

Hymne an die Nacht. Dass Szymanowskis Symphonie eine klangschwelgerische „Hymne an die Nacht“ sein will, zu der ein wohltönender Singverein und Sopranistin Joanna Kozlowska (im „Tenorsolo“!) mit schwebenden Harmonien indische Meditationstexte beisteuerten, musste man zu abstrahieren versuchen. Die staunenerregende Begegnung folgte nach der Pause – mit angeblich bekannter Musik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2010)

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