Liebeshymnus als österlicher Höhepunkt

Mahlers Dritte mit Elīna Garanča und der Staatskapelle Dresden bei den Salzburger Osterfestspielen.

Christian Thielemann und Gustav Mahler: Das war bisher eine nur punktuelle Beziehung. Bei den Symphonien hat Thielemann 2010 noch in München ausgerechnet mit der Achten begonnen, um die sogar manche Mahlerapostel skeptisch einen Bogen machen. Jetzt, als Chef der Staatskapelle Dresden, wählte er als wieder ein zyklopisches Werk, das längste aus Mahlers Feder: die Dritte, auch sie ins Vokale ausgeweitet – eine Erzählung, die vom Erwachen der Natur in Frühling bis zum Geheimnis der Liebe reicht.

Das Ergebnis mag noch nicht in allen Details ideal gelungen sein, im großen Ganzen aber war es ein Höhepunkt unter den Konzerten der Osterfestspiele. Die Vorzüge begannen schon bei der Tempodramaturgie. Hatte Thielemann noch am Abend zuvor im Finale von Brahms' Zweiter mit einer kleinen Verschärfung der Kontraste gewollt, ja exzentrisch gewirkt, ließ er bei Mahler akribische Sachlichkeit walten. Wo andere zur Übertreibung neigen, trifft Thielemann zwischen Mahlers „Nicht schleppen“ und „Nicht eilen“ jene Nuancen, die zumal den langen Kopfsatz bändigen und somit verhindern, dass er zu amorpher Breite zerrinnt. Und die gewisse Nüchternheit, mit der die exzellente Staatskapelle die großen Steigerungen absolvierte, verschob den Schwerpunkt im Werk nach hinten. Erst nach weihevollem Nietzsche („O Mensch, gib acht!“) und naiven Himmelstönen, betörend gesungen von Elīna Garanča, dem Wiener Singverein und dem „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“, wurden die geweckten Erwartungen eingelöst: Ganz logisch kulminierte diese Lesart im finalen Liebeshymnus – in sonorem Fluss und singend phrasiert, voll Wärme und auch jenem Schmerz, der erst den Wert der Liebe bekundet.

Goldklang aus Dresden

Innerhalb dieses klaren Konzepts nützten die Dresdner jede Gelegenheit, ihren Goldklang zu entfalten. Das rezitativische Posaunensolo im ersten Satz, sonst oft von eherner Strenge, schien im Klang einem Cello angenähert; im Menuett vermählten sich gravitätische Anmut, Mendelssohn'scher Elfenspuk und böhmische Melodienseligkeit; das „Kuckucks“-Scherzo quoll schier über vor koloristischen Effekten wie den wunderbar grellen Eselsrufen der Klarinetten. Nur manchmal, in den gleichwohl subtil aufgefächerten Streicherpassagen dieses Satzes, blieb der Eindruck eines zu engen Korsetts, schienen die Stimmen nicht wie von selbst ihre Wege zu finden. Und die aus poetischer Ferne erklingenden Posthornpassagen gelangen zwar tadellos, ließen aber (vielleicht wegen des Flügelhorns?) den überirdischen Zauber vermissen. Hier sowie allgemein beim Verhältnis von Ernst und Ironie darf sich Thielemanns Mahler noch weiterentwickeln. Bei den edel phrasierten Violinsoli scheint eine Steigerung kaum mehr möglich: großer Jubel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2018)

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