Lehár-Festspiele: Illusionen von Alt-Wien und China

Ungefähr so stellt man sich China auf einer Operettenbühne vor – so sieht es in Bad Ischl (ausgestattet von Toto) auch aus.
Ungefähr so stellt man sich China auf einer Operettenbühne vor – so sieht es in Bad Ischl (ausgestattet von Toto) auch aus.www.fotohofer.at
  • Drucken


In Bad Ischl schweift die Fantasie heuer bis Hawaii, auch wenn das Gute so nah liegt: Vom Namenspatron gibt man „Das Land des Lächelns“, und man feiert „Sissi“.

Führte man uns nicht in Wien immer wieder vor, wie beängstigend schwer das Operette-Spielen mittlerweile geworden zu sein scheint, bei den Lehár-Festspielen in Bad Ischl könnte man den Eindruck gewinnen, ein Werk wie „Das Land des Lächelns“ ließe sich ganz ohne Irritation inszenieren – und genießen.

Mit der Spielzeit 2018 ist der neue Intendant, Regisseur Thomas Enzinger, allein verantwortlich für die sommerlichen Produktionen. Er selbst hat sich zum Einstand Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ ausgesucht und das Werk des Namenspatrons, „Das Land des Lächelns“, seinem Kollegen Wolfgang Dosch überlassen. Und der setzt in einer Szenerie von Toto, ausgeleuchtet von Sabine Wiesenbauer, dieses Musterbeispiel einer späten „silbernen“ Operette – samt tragischem Ausgang – auf die Bühne, als hätte nie jemand angezweifelt, dass eine Theateraufführung sich so akkurat wie möglich am Gang der Handlung orientieren sollte, wie er im Libretto notiert ist. Gewiss, man wird heutzutage keine Darsteller mehr finden, mit denen sich die Illusion der adeligen Wiener Gesellschaft der ausgehenden Donaumonarchie wirklich naturalistisch abbilden ließe. Zu erkennen, was alles nicht der Etikette entsprochen hätte, ist ja längst auch dem Publikum nicht mehr möglich.

Aber man tut animiert so, „als ob“. Und dieses „Als ob“ ist ja eines der Grundelemente jeglichen Theaterspielens, zumal dann, wenn es im zweiten und dritten Akt eines Werks darum geht, die Illusion zu erwecken, man sei in China – und die Hauptdarstellerin an der Unmöglichkeit einer Existenz zwischen zwei Welten zerbricht.

Alles über Romy Schneiders Traumrolle

Dazu hat man sich einer exquisiten Hauptdarstellerin, Alexandra Reinprecht, versichert, die der Lisa im entscheidenden Moment das rechte tragische Profil zu geben versteht. Ihr Sopran ist hörbar längst an dramatischeren Opern-Herausforderungen geschult und darüber schwerer geworden.

Über die nötige Operettenleichtigkeit samt den im „Tauber-Land“ nötigen Versuchsstationen in Sachen Pianogesang verfügt Thomas Blondelles Sou-Chong, der nicht zuletzt dank sicherer tenoraler Höhen kräftigen Publikumszuspruch erntet.

Für die Bewegung in den buffonesken Szenen sorgen Verena Barth-Jurcas kecke Mi und der buchgemäß tollpatschige Peter Kratochwil als Gustl. Auch ihnen bereitet das Ischler Orchester unter Daniela Muscas Leitung den flexiblen Klangteppich. Trotz Unhappy End: Sommerunterhaltung pur.

Die sichert sich das Lehár-Festival auch mit einer Uraufführung: Kommenden Samstag bittet man zu „Sissi in Concert“, was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dass man rund um den in Ischl nach wie vor mit allem Pomp zelebrierten Kaiser-Geburtstag der Popularität der beliebtesten Figur des habsburgischen Seitenblicke-Szenarios auf den Grund geht. Nichts hat die Figur Kaiserin Elisabeth so im Bewusstsein der (zumindest deutschsprachigen) Menschheit verankert wie Ernst Marischkas „Sissi“-Filme. Thomas Enzinger ist nun der Meinung, dass die Musik, die Anton Profes zu diesem Dreiteiler komponiert hat, in ihrer Substanz stark genug ist, um bei einem Operettenfestival einmal als eine Art Symphonie mit szenischer Aufbereitung präsentiert zu werden.

Und in den Archiven fand man Material, das spannende Details zur Entstehung der drei Kassenschlager liefert – darüber werden Sieglinde Feldhofer in der Rolle der „Sissi“-Legende Romy Schneider und Mark Weigel als Ernst Marischka im Verlauf des Abends zu erzählen wissen.

Weitere Termine: 11., 19. und 22. 8.; Info: www.leharfestival.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.