Ein Heimspiel für Rolando Villazón

Rolando Villazón
Rolando Villazónimago/CTK Photo
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Standing Ovations für Rolando Villazón, der in der Rolle des sympathischen Entertainers spanische und lateinamerikanische Kunstlieder im Haus für Mozart zum Besten gab.

Fans sind verschieden: Die Familiären feuern ihren Star mit Zurufen an, die Lockeren plaudern während der Musik mitunter ungeniert – anerkennend, versteht sich. Die Strengen maßregeln die Huster sogar in den Pausen mit Zischen. Und den stillen Genießern geht das Herz vollends auf, wenn Rolando Villazón am Beginn des zweiten Teils in einer gut gelungenen Ansprache auf Deutsch anmerkt, Federico García Lorca sei „einer meiner lieblingsten poetas“. Glücklich sind am Ende alle: Seine Begeisterung überträgt sich aufs Publikum, das beim Ohrwurm „Cielito lindo“ als letzte Draufgabe auf sein Verlangen hin inbrünstig mitsingt.

Als sympathischer Entertainer ist Villazón in seinem Element. Der Gesang wird da ein wenig Nebensache. In Baden-Baden schlug er zuletzt, im Rahmen eines auch für CD aufgenommenen Mozart-Zyklus unter Nézet-Séguin, den Tamino aus (die Rolle ging, ein Besetzungscoup, an den Wagner-geeichten Klaus Florian Vogt) und versuchte sich erstmals als Papageno, eine Partie für lyrischen Bariton oder singenden Schauspieler: Villazóns Herzensneigung zum (traurigen) Clown ist längst stärker als die Bindung an die nominelle Stimmlage Tenor, und neben der zweiten Liebe Regie wird er sich ab 2019 auch als Intendant der Salzburger Mozartwoche beweisen.

Stimmliche Blessuren

Wenn sich Villazón nun bei den Salzburger Festspielen für hierzulande kaum mehr als punktuell bekannte „Canciones populares entre el viejo y el nuevo mundo“ einsetzt, hat diese Art von Heimspiel auch den Vorteil, dass er sich das wundersame (und manchmal auch wunderliche) Kunstliedschaffen von Komponisten aus Spanien, Mexiko, Kolumbien, Brasilien und Argentinien ein bisschen für seine Anforderungen zurichten kann. Die famose Carrie-Ann Matheson ist ihm am Klavier eine optimale Stütze: Ihr gelingt es zudem, zwischen impressionistischem Wellenspiel und melodiösen Ölbädern die intrikaten Tanzrhythmen prägnant und mitreißend zu formen. Wen kümmert's, dass vieles in baritonale Regionen transponiert ist – so tief, dass etwa die Auftaktnoten von „La mi sola, Laureola“ aus Fernando Obradors' „Canciones clásicas españolas“ sich zu einem Hauch verflüchtigen? Überall dort aber, wo die Kantilenen doch noch in tenoralere Gefilde aufsteigen, etwa in Federico Mompous „Damunt de tu, només les flors“, werden Blessuren hörbar, scheinen alte Narben der Stimme frische Risse zu bekommen. Villazón tut alles, um diese Stellen als Expression zu verkaufen, als Selbstentäußerung – eine irgendwie erfolgreiche, aber schmerzlich anzuhörende Strategie. Keine der dramatischen Nummern läuft ganz ohne Zittern ab, auch nicht Höhepunkte wie das sanft schluchzende „Del cabello más sutil“ (Obradors) oder Alberto Nepomucenos „Coração Triste“. Das vergisst man auch nicht über dem komödiantischen Plappern in „Las cinco horas“ von Silvestre Revueltas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2018)

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