Grafenegg: Bruckner in höchster Güte


Die Wiener Philharmoniker unter Franz Welser-Möst mit Bruckners Fünfter Symphonie im Wolkenturm. Ein großer Abend.

Ob Bruckners Vierte, die „Romantische“, noch besser in die Landschaft bei Grafenegg gepasst hätte? Das fragten sich vielleicht manche. Aber sicher nur, bis die ersten Takte von Bruckners Fünfter erklangen: Denn die besondere Qualität dieser Aufführung hörte man sofort. Unprätentiös führte Franz Welser-Möst die Philharmoniker vom Adagio ins Allegro, ideal gelangen schon hier die herausfordernden Übergänge, war die Streicher-Bläser-Balance perfekt – und das bei einer Freiluftaufführung!

Als „Soundtrack des privaten Glaubens“ wurde die Fünfte im Katalog des Grafenegg-Festivals neumodisch avisiert, Bruckner selbst nannte sie sein „kontrapunktisches Meisterstück“. Bei dieser Charakteristik darf man es bei dieser monumentalen B-Dur-Symphonie künftig getrost belassen. Genau aus diesem Geist interpretierte sie Welser-Möst, mit bestens aufeinander abgestimmten, durchaus zügigen Tempi, größtmöglicher Transparenz und nie erlahmendem, zielorientiert das Finale als Höhepunkt anpeilendem Elan. Auf große Linien konzentriert, aber doch auch plastische Details intensiv auskostend.

Idyllisches wurde dabei keineswegs ausblendet. Das bewies das mit delikatem Charme phrasierte Trio im mit drängender Impulsivität und beispielhafter Klarheit artikulierten Scherzo. Innere, nie in billiges Sentiment abgleitende Bewegtheit bestimmte auch Welser-Mösts Lesart des souverän ausgebreiteten Adagios. Und auch im weitgespannten Finalsatz legte der Dirigent dessen komplizierte Architektur mit einer von analytischer Schärfe begleiteten Leichtigkeit offen, welche die jeweiligen Höhepunkte dieses Satzes wie von selbst erstehen ließen. Umso eindringlicher wirkte der abschließende Choral.

Demnächst werden Welser-Möst und die Philharmoniker mit diesem Bruckner einen ihrer Auftritte beim Lucerne Festival bestreiten – dann zusammen mit Sol Gabetta als Solistin von Haydns C-Dur-Cellokonzert. Ovationen sind ihnen wohl gewiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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