Konzerthaus: Pianistische Poesie ist relativ

Yuja Wang spielt mit den Wiener Symphonikern und Lorenzo Viotti
Yuja Wang spielt mit den Wiener Symphonikern und Lorenzo Viotti(c) Rolex/ Ben Hassett
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Schumanns Klavierkonzert und Schostakowitschs Zehnte mit Yuja Wang, den Wiener Symphonikern und Lorenzo Viotti.

Wieder Schumanns Klavierkonzert: Wenige Tage nach Hélène Grimaud, dem Gewandhausorchester und Andris Nelsons im Musikverein war es nun im Konzerthaus zu erleben. Restlos glücklich wurde man auch diesmal nicht, aber pianistische Poesie ist eben relativ – und die Interpretation durch Yuja Wang und die Wiener Symphoniker mit Lorenzo Viotti am Pult erwies sich im direkten Vergleich als die stärkere. Denn Wangs Treffsicherheit geht mit einem differenzierteren Anschlag einher, einem größeren Nuancenreichtum, schon allein im diesmal besonders feingliedrigen Intermezzo.

Einig waren sich Dirigent und Solistin im Vorwärtsdrang, Abstriche gab es für eine teils zu wattig-nebulöse Kadenz. Und im Finale legten Viotti und die Symphoniker mehr an virtuos tänzerischem, nonchalanten Walzerschwung vor, als Wang übernehmen konnte oder wollte. Nicht alle können das Werk mit so großartiger Freiheit, Spontaneität und leuchtender Fingerfertigkeit erfüllen wie Martha Argerich, selten gelingt der dichterische Tiefsinn so makellos und erfühlt wie bei Daniil Trifonov: Wang scheint derzeit doch noch mehr bei den großen Konzertschlachtrössern des russischen Repertoires heimisch. Am Gestaltungswillen des 28-jährigen, bereits viel gefragten Lorenzo Viotti kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, auch wenn Echoeffekte für Schumanns Wiederholungen stilistisch nicht restlos überzeugend wirkten. In der Coda gibt es eine wiederholte Piano-Passage, in der weiland Claudio Arrau stets ein gewöhnlich untergehendes Begleitmotivchen der linken Hand sehnsuchtsvoll seufzen ließ: Wer das einmal gehört hat, will es nicht mehr missen. Wang machte das Motiv zwar für Kenner erahnbar, aber ohne Sinn gebenden Ausdruck. Dafür inszenierte Viotti mit den alerten Symphonikern in diesen Takten ein Geheimnis, sie wurden leiser und langsamer – ein schöner, wohldosierter Effekt, der durchaus nicht aufgesetzt wirkte.

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