Bach als großes katholisches Welttheater

Konzert der Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck als Dirigent (Archivbild).
Konzert der Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck als Dirigent (Archivbild).(c) imago/Rudolf Gigler
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Jubel für die „Matthäus-Passion“ mit dem mitfiebernden Evangelisten Daniel Johannsen im Musikverein.

Zu viel Bach kann man gar nicht spielen oder hören. Zwei Tage nach der Aufführung im Konzerthaus unter Václav Luks gab es nun die „Matthäus-Passion“ im Musikverein mit Martin Haselböck. Äußerlich wahrten beide Interpretationen dieselben Grenzen, mischten Annäherung an die historischen Gegebenheiten und moderne Hörererwartungen (immerhin hatte Bach für die hohen Stimmen nur Knaben zur Verfügung, weder Frauen noch Countertenöre) im Detail unterschiedlich, insgesamt aber sehr ähnlich; hier wie dort waltete der unerlässliche Zug ins Spirituelle. Und doch schienen sich die Abende fundamental zu unterscheiden – so sehr, dass man nach einer „evangelisch“ kargen, wortbezogenen von einer „katholisch“ inszenierten, theatralischen Deutung sprechen möchte.

Im Vergleich zu Luks' Collegium 1704 waren Consort und Orchester Wiener Akademie etwas schlanker besetzt, das reichte im kleineren Musikverein aber, um eine sogar größere Klangfülle zu erzielen. Wieder sangen die Ariensolisten im Chor mit, bei Haselböck aber auch Evangelist und Jesus. Das betont den Aspekt eines gemeinschaftlichen Gottesdienstes – und die Tatsache, dass nicht jemand (diesfalls John Taylor Ward) Jesus spielt, sondern bloß dessen Worte vorträgt. Zugegeben, auch hier ließ der Verzicht auf ein zusätzliches Kollektiv für den „Soprano in ripieno“ im Eröffnungschor zu wünschen übrig. Aber durch die Verteilung des (dezent durch die Orgel verstärkten) Choralparts auf die hohen Solostimmen in den ersten Chorreihen links und rechts erzielte Haselböck einen beinah mystischen Effekt: Man vernahm das zarte „O Lamm Gottes unschuldig“, konnte es aber nicht wirklich orten.

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