Musikverein: So maßlos kann Musik sein

Symphoniker-Chef Philippe Jordan.
Symphoniker-Chef Philippe Jordan.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Intensiv, packend: Die „Grande Messe des Morts“ als Abschluss und Höhepunkt des Berlioz-Zyklus der Wiener Symphoniker.

Ein Mammutwerk, das jede Sekunde droht, aus allen Fugen zu geraten: Hector Berlioz, in keiner Beziehung mit normalen Maßstäben zu messen, forderte in seiner „Grande Messe des Morts“ vulgo „Requiem“ Irrationales wie Gigantisches, versuchte Himmel wie Hölle, ging schamlos an die Grenzen, um sie vielleicht auch zu überwinden. Und das mit kühler, rationaler Ästhetik.

Symphoniker-Chef Philippe Jordan war endlich wieder zur Stelle, um Klangmassen zu koordinieren, zu modellieren und zu einer Verständlichkeit zu färben, die ein aufmerksames Publikum knapp eineinhalb Stunden in Bann hielt. Er ist ein meisterlicher Architekt der Melodien und Klänge, er hat Übersicht und Mitteilungskraft, um die Marschrichtung vorzugeben, während im Untergrund Emotionen und teuflische Hirngespinste ihr frivoles Spiel treiben. Berlioz muss online mit einem kompositorischen Satan verbunden gewesen sein, sonst hätte er nicht formulieren können, was er brieflich als „furchtbare Verbindungen, welche man glücklicherweise noch nicht versucht hat“ kleinredete. Dazu forderte er Maßloses: Mindestens 400 Mitwirkende sollten es sein, hierzulande begnügt man sich aus Platzgründen mit Sparversionen, obwohl die Symphoniker wie der Singverein in Kompaniestärken angetreten sind. Immerhin ein Besetzungswunsch Berlioz' konnte erfüllt werden: acht Paar Pauken. Dazu vier Blechbatterien, um im „Tuba mirum“ aus allen Himmelsrichtungen den Musikverein erzittern zu lassen. Wie muss das wohl 1837 im Pariser Invalidendom bei der Uraufführung gewesen sein? Ob sich Napoleon in seinem rötlichen Marmorsarkophag wohl gestört gefühlt hat?

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