Konzerthaus: Buhrufe und Jubel fürs Enfant terrible

Konzerthaus Buhrufe Jubel fuers
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Haarscharf am Skandal vorbei schlitterte dieser Abend im großen Konzerthaussaal. Ivo Pogorelich schürte mit Tschaikowsky die Emotionen.

Haarscharf am Skandal vorbei schlitterte dieser Abend im großen Konzerthaussaal. Einige hatten schon nach wenigen Minuten genug. Nach dem ersten Satz von Tschaikowskys b-Moll-Konzert gab es Buhrufe und Sätze wie „Mord an Tschaikowsky“. Aber auch kräftigen Applaus. Ivo Pogorelich, Enfant terrible der Pianistenszene und technisch nicht mehr so zuverlässig wie noch vor einigen Jahren, legte eine an Subjektivität kaum übertrumpfbare Deutung seines Klavierparts vor, drosch geradezu die Akkorde in den bald stumpf klingenden Steinway, überdehnte Phrasen, scherte sich weder um Phrasierungsvorschriften noch um die in der Partitur notierte Dynamik. Eine besondere Herausforderung für das RSO Wien unter seinem designierten Chefdirigenten, dem Heidelberger GMD Cornelius Meister. Sie mussten jede Sekunde gewärtig sein, dass der diesmal von Noten spielende Solist sie mit unerwarteten Nuancen und Akzenten konfrontiert, auf die es dann heißt, raschest zu reagieren.

Nicht ganz so extrem, aber ebenso eigenwillig nahm Pogorelich die beiden folgenden Sätze. Umrahmt wurde diese vom Publikum zwischen genial und undiskutabel beurteilte Performance mit der von Christian von Borries orchestrierten „Passacaglia“ von Alban Berg und Zemlinskys dreiteiliger Orchesterfantasie „Die Seejungfrau“. Sie zeigten Meister als gezielt auf Höhepunkte hinarbeitenden, dabei auch Details klug modellierenden Klangregisseur. Schon im Juli steht seine nächste Wiener Bewährungsprobe an: mit der „Fledermaus“ im Theater an der Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2010)

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