Dominique Meyer: Musischer Manager

Dominique Meyer Musischer Manager
Dominique Meyer Musischer Manager(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Mit dem 55-jährigen Franzosen Dominique Meyer beginnt eine neue Ära an der Wiener Staatsoper. Welche Herausforderungenhat der neue Direktor zu bewältigen? Und was dürfen wir von ihm erwarten?

Das Gras von früher ist immer grüner, das gilt auch für die Oper. Wir hängen zu sehr an der Vergangenheit. Das Interesse für Oper ist da, auch bei jungen Leuten. Es soll mehr Neuinszenierungen geben, gelegentlich eine Barockoper“, sagte Dominique Meyer, Wiens Staatsopern-Direktor ab 1.September vor Kurzem im „Presse“-Interview.

Was ist er für ein Mensch, der 55-jährige Franzose? Und welche Änderungen hat das Wiener Opernhaus zu erwarten? Leise ist er jedenfalls, der neue Staatsopern-Direktor. Das fällt als Erstes auf und wurde auch in zahlreichen Zeitungsartikeln vermerkt. Temperamentsausbrüche sind seine Sache nicht. Dass er sich trotzdem durchzusetzen versteht – und zwar beinhart – wissen Betriebsräte zu berichten. Bei Konfrontationen bleibt er einfach stur.


Kein barocker Selbstdarsteller. Als farbenreicher, barocker Selbstdarsteller wie sein Vorgänger Ioan Holender ist der Elsässer bisher nicht aufgefallen. Er kommt auch nicht von der Kunst – wie Holender, der Sänger war –, sondern von der Wirtschaftswissenschaft. Was wohl ein Grund war, warum sich die ehemalige Bankerin und jetzige Bildungsministerin Claudia Schmied rasch mit Meyer verständigte – der ihr von den Wiener Philharmonikern wärmstens empfohlen worden sein soll. Während seiner Studienzeit in Paris besuchte Meyer nicht nur die Oper, sondern auch viele andere Kulturveranstaltungen. Er ist ein Enthusiast, dessen liebstes „Laster“, wie er sagt, Tonträger sind. „Ich gehe jede Woche CDs kaufen. Die CDs und die Bücher, eine Katastrophe ist das in meiner Wohnung.“ Trotzdem ist Meyer auch ein tüchtiger Manager. Der legendäre französische Kulturminister Jack Lang holte ihn aus dem Industrieministerium ins Kulturministerium. Dort kümmerte er sich um die französische Kinoreform und wirkte als Geburtshelfer für den Kulturfernsehkanal „Arte“. Meyer bewährte sich aber auch als Troubleshooter in der äußerst krisenhaften Anfangszeit der Pariser Bastille-Oper.

Dort musste er u. a. ein Konzert zur Eröffnung des Opernhauses am französischen Nationalfeiertag, dem 14.Juli 1989, für den damaligen Präsidenten Mitterrand und 34 Staats- und Regierungschefs organisieren. Bei der Generalprobe fiel ständig der Strom aus. „Das war eine sehr lustige Periode“, erinnert sich Meyer in einem „Zeit“-Interview. Seit 1999 leitete er das Théâtre des Champs Elysées in Paris, das zwar kleiner, aber keineswegs weniger arbeitsaufwendig ist als die Wiener Staatsoper, wie er der „Presse“ versicherte, weil in Paris weniger Personal zur Verfügung steht.

Welser-Möst eröffnet mit „Tannhäuser“. Musikalisch, teilweise auch künstlerisch wird allerdings wohl der Dirigent und Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst den Takt vor- und den Ton angeben. Wenn das Haus am Ring mit Paul Hindemiths „Cardillac“ am 17.Oktober die erste Premiere feiert, steht dieser nicht zum ersten Mal am Pult: Welser-Möst dirigiert gleich zur Eröffnung den „Tannhäuser“ in der Inszenierung von Claus Guth (5.September) und die Neueinstudierung der „Bohème“ (6.September), in der statt des stimmlich angeschlagenen Rolando Villazón der junge amerikanische Tenor Stephen Costello den Rodolfo gibt. Außerdem wird er in der ersten Spielzeit zwei Neuproduktionen leiten: „Don Giovanni“ (11.Dezember) als Auftakt eines neuen Mozart-Zyklus und „Kátja Kabanová“ von Janáček.„Für Wien ist Welser-Möst wirklich die optimale Lösung. Wen gibt es schon, der sich über eine ,Bohème‘, eine ,Traviata‘, eine ,Tosca‘ freut, dem sie aber gleichzeitig einen Janáček-Zyklus und Wagner-Musikdramen anvertrauen können?“, sagte Meyer im Gespräch mit der „Presse“ über seinen Generalmusikdirektor.

Dem Haus am Ring stehen große Neuerungen bevor: Bei Händels erstmals in der Staatsoper gespielter „Alcina“ (Premiere: 14.November) sitzen nicht die Musiker des Staatsopern-Orchesters, sondern die Musiciens du Louvre im Graben. Und unter dem Pariser Startänzer Manuel Legris als neuem Direktor soll das Staatsopern-Ballett, das unter Holender wenig Aufmerksamkeit bekam, wieder stärker ins Rampenlicht rücken.

Die größte Veränderung für die neue Opernführung ist der neue Kollektivvertrag des Staatsopern-Orchesters, der mehr Proben möglich macht. Die größte Gefahr für Meyer und Welser-Möst liegt darin, dass die Rekordauslastung fallen wird. Viel mehr Geld vom Staat wird es kaum geben. Der Spielraum für Neuproduktionen ist also, trotz verbesserter Rahmenbedingungen (KV), vermutlich gering.


Herausforderung für Salzburg. Der Stil moderner Operninszenierungen ist stark durch den französischen Raum geprägt, etwa durch den früheren Salzburger-Festspiele-Intendanten Gerard Mortier, oder durch Festivals wie Aix-en-Provence. Dass Meyer szenisch mehr riskieren wird als Holender darf man annehmen. Das könnte eine Herausforderung für das Theater an der Wien werden, das hier eine Vorrangstellung behauptet, oder für Salzburg, wo ab 2012 Alexander Pereira amtiert. Der aus Wien stammende Zürcher Opernchef gilt als Freund des Modernen im Musiktheater.

Tag der offenen Tür: 4.9., Eintritt frei. Zählkarten an der Bundestheater-Kasse (Operngasse 2, 1010 Wien).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.