Xerxes ist ein König und kriegt die Dame nicht! Egal.

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Händels Oper „Xerxes“ als hinreißendes Bühnenvergnügen am Theater an der Wien – dank Spitzenensemble, Regie und Dirigent. Das Publikum jubelt über die hinreißende szenische Verquickung von Ernst und Spiel.

Ja. Vorbehaltlos ja. Es gibt Opernabende, an denen einfach alles stimmt. Die Aufführung von Händels „Xerxes“ am Theater an der Wien ist ein solcher. Regisseur Adrian Noble hat nach der Staatsopern-„Alcina“ dem Wiener Publikum eine zweite Erfolgsproduktion geschenkt. Und erneut ebenso launig wie virtuos demonstriert, dass Barockoper eine höchst lebendige Angelegenheit sein kann.
Auch wenn – wie im vorliegenden Fall – die Dramaturgie des Librettos für heutige Verhältnisse eigentlich untragbar ist. Da beschwören heftige Verstrickungen in Liebesdingen beinah eine Katastrophe herauf und werden durch puren Zufall und nicht einmal durch einen Deus, sondern sozusagen einer Umbra ex machina, in Wohlgefallen aufgelöst.

Das post-psychologische Zeitalter

Aber getreu dem heutzutage allseits gern zitierten Wahlspruch, demzufolge der Weg das Ziel ist, kann man ein derartiges Seelen-Tohuwabohu auch als höchst zeitgemäße Angelegenheit deuten. Ein Unterhaltungs- und Erbauungsabend für das post-psychologische Zeitalter sozusagen. Vielleicht hebt dieses ja mit dieser Produktion an.
Das Publikum jubelt jedenfalls über die hinreißende szenische Verquickung von Ernst und Spiel, die zwischen tiefem Schmerz und kabarettistischer Selbstpersiflage virtuos vermittelt. Wer gerade wen wem abspenstig machen will, gleichviel, Händel vertont alle Gefühlsregungen mit jener Hingabe, die von den Interpreten im Wiener Ensemble seiner Musik entgegengebracht wird.
Und man staunt, dass eine Frauenstimme (Sopran wäre untertrieben, denn der Stimmumfang ist gewaltig) wie jene von Malena Ernman farblich beinah dem Originalklangton eines virtuosen Countertenors wie Bejun Mehta angeglichen werden kann, nur dass die Dame in der ihr natürlich zugemessenen Lage im entscheidenden Fall denn doch sicherer und ebenmäßiger klingt.
Man wird sich kaum entscheiden können, ob man Danielle de Niese, die hinreißend zwischen kätzchenhafter Koketterie und hehrer Empfindung hin und her pendelt, am allerbesten findet – es gebe nicht nur dank ihrer technischen Bravourleistung in der zentralen Da-capo-Arie gute Gründe dafür – oder ob man Adriana Kučerová ebenso hoch bewerten möchte, deren lichter Sopran gegen die Höhe Gewicht und satte koloristische Möglichkeiten gewinnt.
Wie sie sich – die Regie macht sie zu einer Art Daphne im Retourgang – in Tobias Hoheisels schönem Gartenbühnenbild aus einer entzückenden Baumnymphe in eine reife, liebende Frau verwandelt, ist so bewegend mitzuverfolgen wie die martialischen Auftritte von Schönberg-Chor und Anton Scharingers wackerem Kriegsherrn zündenden Effekt machen.
Dann sind da noch Andreas Wolf, der als Barock-Leporello auch ein zirkusreifer Verwandlungskünstler ist. Und Luciana Mancini, die Koloraturgewandtheit herb-frisch in tiefste Lagen transponiert – und als unglückliches Nachtschattengewächs die staunenswerte Finalwendung herbeiführt. Vor allem aber sitzt das Ensemble Matheus im Orchestergraben und gestaltet das Drama in allen Facetten instrumental mit, vom Meisteranimator Jean-Christophe Spinosi zu sagenhafter Beredtheit geführt. Das zirpt, schnurrt, wirbelt und grumbelt, je nach dramatischer Situation, dass es eine Freude ist.
Hingehen! Anschauen!
„Serse“. 18., 20., 23., 25., 27. Oktober – Übertragung in Ö1: 22. Oktober (19.30).

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