Junge Kunst: Vielleicht ist alles ja ganz anders

Junge Kunst
Junge Kunst (C) János Mohácsi
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Die beiden Wiener Kunst-Unis zeigen in zwei großen Präsentationen die besten Arbeiten des vergangenen Jahres. Und das muss ein ziemlich gutes gewesen sein. Obwohl, der Realität ist nicht zu trauen.

Ein schlichter weißer Sessel, ziemlich verlockend in dem typischen Chaos der Abschlussausstellung einer Kunst-Uni. Doch trauen darf man diesem Angebot der Sesshaftigkeit nicht. Will man sich setzen, biegt er sich unter einem weg, schwankt in die eine, in die andere Richtung, wirft den Besetzer schmählich ab. Paola Oteros geheimnisvolles Objekt ist typisch für das grundsätzliche Misstrauen an der Welt, das eine junge Künstlergeneration zurzeit ziemlich zu beschäftigen scheint.

Mit einfachsten Mitteln und teils surrealen Bildern wird an der Vorstellung gearbeitet, dass alles auch ganz anders sein könnte. Dass die Spuren, die die Erdgasgewinnung „Fracking“ auf der Erdoberfläche hinterlässt, eher Malerei und mythische Zeichnung ist, wie die von Johannes Schrems bewegten Satellitenbilder denken lassen. Dass das „Beschneiden“ eines Bildes, das längst unbedachte Sehgewohnheit ist, die Dinge auch tatsächlich beschneiden könnte, wie Mara Novak es mit einem Kleinwagen getan hat, ganz brutal mit der Flex. So endet nicht nur das großformatige Straßenfoto am hinteren Ende des Autos, auch das Auto selbst endet hier. Und die männlichen Archetypen, die János Mohácsi in Plakatgröße gezeichnet hat? Sie sind doch immer nur er selbst.

Hefebilder als Erinnerung an einen Toten

Mohácsis Kollegin aus der Klasse von Jan Svenungsson, Karina Mendreczky, baut zwar das Menschenbild selbst nicht in ihre poetische Gegenwelt ein, dafür teilt sie ihren Rückzugsort, den Wald, großzügig mit uns: ein feines Bühnenbild für unsere Sehnsüchte aus kleinen Gipsbäumen, Videoprojektionen, Sound und Siebdruck. Ebenfalls mit der Natur, diesmal aber komplexer mit „Hefebildern“, schuf Lucas Czijek eine Hommage an den verstorbenen Freund, der ihn einst auf die Angewandte brachte. Standbilder aus einem Handy-Video des Verstorbenen setzte er mit Hefekulturen an, belichtete sie und überträgt die „wiederbelebten“, sich ständig verändernden Szenen jetzt live auf einen Bildschirm. Eine starke Arbeit.

Die Natur selbst erledigt die Arbeit auch bei Lukas Matuschek, der ein Blumenbeet sich selbst malen lässt, indem eine hängende Leinwand sich wieder und wieder auf die gelben Tagetes darunter senkt, ein Mechanismus, der durch das Öffnen und Schließen einer Tür ausgelöst wird. In der Klasse von Brigitte Kowanz scheint es lustig zuzugehen. Wovon auch eine der besten Arbeiten hier spricht, die „Fußnoten“ Anna Vasofs, die kinetisch-surreale Schuhpaare gebastelt hat, die sich bei Benutzung mit beeindruckender Fantasie ihrer Dysfunktionalität hingeben. Ein, zwei Schritte – und der Hammer auf dem einen Schuh schlägt dem anderen auf die Zehen. Und der Blasebalg bläst Wind ins Windrad des anderen. Und die Babyschuhe steigen einem abwechselnd auf die Füße.

Eine der stärksten Arbeiten bei der „Konkurrenz“, der Akademie, betont ebenso das Dysfunktionale als Qualität. Die auch mit dem Akademie-Preis für das beste Diplom prämierte Installation „Fuhrpark“ von Toni Schmale in den Bildhauerateliers im Zweiten sieht zwar wie ein ziemlich massives Angebot zur Körperertüchtigung aus, die drei perfekt gearbeiteten Objekte aus Beton und Stahl könnten Fitnessgeräte sein. Eher sind es aber Studien zu Macht und Ohnmacht in Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern. Sollte man sich unbedingt ansehen – wie auch die temporären Ausstellungsräume der Akademie in der Babenbergerstraße, wo sich große Installationen zu einem fast schon kuratiert wirkenden Parcours verdichten.

Einen Sonderstatus hat auch das Projekt „Transit für Karl Aspern“ im Außenraum des Künstlerhauses, es ist das Ergebnis eines zweisemestrigen, klassenübergreifenden Projekts auf der Angewandten, geleitet vom Künstlerduo Prinzgau/Podgorschek. Dabei wurde versucht, die gerade entstehende Seestadt Aspern mit einem anderen urbanen „Unort“, dem Karlsplatz, auch künstlerisch zu verbinden. Julia Rohn hat dafür eine Skulptur „gehoben“, die seit Jahren unbemerkt unter dem Baugerüst des Künstlerhauses dahinvegetiert. Es ist eine Danae-Skulptur von Alfons Riedel, dessen „Friedensbotschaft“, die er neben das Nazi-Pamphlet des Bildhauers Wilhelm Frass unter das Soldatendenkmal am Heldentor schummelte, vor Monaten für mediale Furore sorgte. Gerade Riedels nackte Frau in Erwartung des Goldregens schickt Rohn jetzt als „Friedenspatronin“ einer neuen Stadt auf den Asperner See, als rotes Schwimmobjekt aus Plastik. Was werden die Menschen in einem Jahrhundert wohl über diesen Fund grübeln...

Auf einen Blick

Jahresausstellung der Angewandten, „The Essence“, Arbeiten aus einem Jahr, ausgewählt von Edek Bartz, im Künstlerhaus, bis 14. Juli, tägl. außer Montag 10–18h, Do. 10–21h. Eintritt 5 Euro. www.angewandte.at

Präsentation aller Abschlussarbeiten der Akademie der bildenden Künste,an mehreren Orten, u.a. in den neuen, temporären Ausstellungsräumen in der Babenbergerstr. 7, 2. Stock, WienI, oder in den Bildhauerateliers in der Kurzbauergasse 9, WienII, bis 30. Juni. Tägl. 16–20 Uhr, kein Eintritt, www.akbild.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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