Prinz Eugen: Bauherr, Sammler

Prinz Eugen
Prinz Eugen (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Vor 350 Jahren wurde Prinz Eugen von Savoyen geboren. Er hat am Wiener Hof unter drei Habsburgerkaisern gedient und die Armeen Österreichs auf dem Weg zur europäischen Großmacht geführt.

Paris 1683. Für König Ludwig XIV. ist der gerade erst zwanzigjährige Eugen von Savoyen, der sich im März 1683 mit einem Bittgesuch in die Audienz drängt, ein unangenehmer Anblick, ein Lumpenprinz. Erstens ist der junge Mann, der um eine Kommandostelle in der französischen Armee bittet, der Sohn einer in Ungnade gefallenen Gespielin des Königs. Daran will er nicht erinnert werden. Zweitens macht der unerwünschte Petent ungeachtet seiner fürstlichen Ahnenreihe, die ins italienische Savoyen zurückreicht, einen bizarren und befremdlichen Eindruck. Seine zu bescheidene Kleidung, seine geringe Körpergröße, seine hässliche Physiognomie wirken lächerlich. Was aber am meisten irritiert: Der junge Bittsteller zeigt sich nicht geblendet vom Anblick des Sonnenkönigs, sondern blickt ihm direkt in die Augen. „Nie noch nahm sich jemand heraus, mir so frech wie ein zorniger Sperber ins Gesicht zu starren“, wird sich der König später erinnern, als er zu bereuen beginnt, den Bewerber so schroff abgelehnt zu haben.


„Stumpfnase“, „hässlicher Gnom“. Eugen trifft nun die Entscheidung, alles hinter sich zu lassen: die demütigende Kindheit und Jugend, in der er als „Stumpfnase“ und „hässlicher Gnom“ verspottet wurde, die vergnügungssüchtig-oberflächliche Mutter, den goldenen Käfig des Pariser Hofs. Er verlässt Frankreich fluchtartig und kehrt nicht mehr zurück. Zumindest nicht mit friedlichen Absichten.

Wien 1683. Zur selben Zeit entscheidet sich auch das Schicksal der Reichshauptstadt Wien. Hier bahnt sich eine Katastrophe von ungeahntem Ausmaß an. Wie ein gigantischer Lindwurm wälzt sich vom Balkan eine bewaffnete Streitmacht von 200.000 Soldaten unter türkischem Oberkommando heran. In allerletzter Minute verlassen Kaiser Leopold I. und sein Hof die Stadt in Richtung Passau. Viele Heißsporne machen sich nun auf nach Passau, dem Kaiser zu dienen, das Reich zu retten. Unter ihnen Prinz Eugen, sein Angebot an das „hohe Erzhaus Österreich“: in Zukunft alle seine Kräfte „mit unerschrockenem Mut bis zum letzten Blutstropfen aufzuopfern“. Der Kaiser braucht in der misslichen Lage, in der er steckt, jeden Mann, Eugen wird Leutnant. Diese Entscheidung stellt sich als Glücksfall für die Habsburgermonarchie heraus. Prinz Eugen von Savoyen-Carignan-Soissons wird sein Versprechen halten.

Zum ersten Mal sieht er am 12.September die Stadt Wien zu seinen Füßen, von den Abhängen des Kahlenbergs aus, an der linken Flanke des Entsatzheers erlebt er seine militärische Feuertaufe. Und zum ersten Mal sieht er Türken aus nächster Nähe, ihre übereilte Flucht, bei der sie Waffen und eine riesige Zeltstadt zurücklassen. Zwei Tage später darf er im Stephansdom beim Te Deum die Rettung des Abendlands mitfeiern. Ab nun gehören sie zusammen – Eugen und Österreich.


Atemberaubende Karriere. Er hat nun Gelegenheit, die ihm noch fehlende militärische Erfahrung zu sammeln, die Türken sind ja nur vertrieben, nicht besiegt. Ein Feldzug folgt dem anderen, aus dem mittellosen Migranten wird ein Oberst, General, Feldmarschall, eine atemberaubende militärische Karriere. Die feierliche Urkunde, mit der er zum „General Leutnant über sämtliche Kriegsvölker“ ernannt wird, unterzeichnet schon Leopolds Nachfolger Joseph I. Mehr an militärischen Rängen haben Österreich, Kaiser und Reich nicht zu vergeben.

„Schlachtenbummler“ wie viele andere hohe Aristokraten ist er nie. Bei den Feldzügen zur Vertreibung der Türken aus Ungarn und Siebenbürgen trifft ihn eine Musketenkugel am Arm, die erste von neun Kriegsverletzungen. Seine wilde Entschlossenheit, seine genialen Blitzaktionen, sein Auftreten im bescheidenen braunen Ledergewand, das gefällt seinen Dragonern. Bei der Eroberung von Buda 1686 soll er gekämpft haben wie ein kleiner Teufel. Er erlebt grauenhafte Gemetzel, Soldaten im Blutrausch. Es ist nicht überliefert, dass ihn das bewegt hätte. Soldatenhandwerk eben: „Meine Leute konnten auf den Leichen der Feinde stehen wie auf einer Insel.“ Der Gestank der Toten ist unerträglich? Dann wird das Lager verlegt. Zwei Regimenter meutern, weil kein Sold ausbezahlt wird? Spießrutenlauf und Galgen. Der blutige Weg des Habsburgerreichs zur Großmacht.


Der edle Ritter. Bei jedem Aufenthalt in Wien wird der Prinz auf der Straße vom Volk bejubelt. Die Schlacht von Zenta, die Eroberung von Belgrad und der Friedensschluss mit den geschlagenen Türken machen ihn zu einer europäischen Berühmtheit, das Volkslied vom „edlen Ritter“ verherrlicht ihn. Bis vor 20 Jahren widmeten die Schulbücher dem Türkenbezwinger zumindest eine Doppelseite, heute wird er dort nur mehr in einem Satz erwähnt. Offensichtlich hat er als österreichische Symbolfigur ausgedient.

Finanziell steht Österreichs „Heldenzeitalter“ auf wackeligen Beinen. In kritischen Jahren überschreiten die Militärausgaben die gesamten Staatseinnahmen. Das spürt auch der erfolgreiche Feldmarschall, während der Zeit des Winterquartiers meidet er die Maskeraden und Bälle, er bemüht sich stattdessen um mehr Geld für seine schlecht ausgerüsteten und unterbezahlten Soldaten, der österreichische Schlendrian geht ihm gehörig auf die Nerven, immer wieder ist er empört über die schwerfällige Bürokratie.

Mit der Hilfe seiner savoyischen Verwandtschaft kann er seine privaten Geldnöte beilegen: Herzog Victor Emanuel überschreibt ihm zwei Abteien im Piemont, Eugen ist nun auch Laienabt mit einer gesicherten Jahreseinkunft. Einzige Bedingung ist der Zölibat, das ist ihm gar nicht so unrecht. Tatsächlich hat der Prinz trotz einiger Verkuppelungsversuche nie den Hafen der Ehe angesteuert, über seine erotischen Gewohnheiten gibt es nur Gerüchte, wie überhaupt der Privatmann schwer greifbar bleibt, das haben schon die Zeitgenossen so empfunden. Alle Anspielungen auf seine Homosexualität gehen zurück auf ein paar bissige Bemerkungen: „Er incommodiert sich nicht mit Damen, ein paar schöne Pagen wären besser seine Sach.“ Wollen wir seriös sein, müssen wir hier passen. Juvenile Libertinage am Hof des französischen Königs dürfte der Normalfall gewesen sein, von gelebter Sexualität des erwachsenen Prinzen wissen wir absolut nichts, „Mars ohne Venus“ nennt ihn ein früher Biograf. Nicht die geringste erotische Petitesse also, das Kartenspiel mit der verheirateten, wohl heimlich verehrten Gräfin Batthýany kann man schwerlich darunter zählen.


Bauherr, Sammler. Abteien, kaiserliche Geldgeschenke, Einnahmen aus dem Militärdienst: Prinz Eugen wird ab 1690 ein reicher Mann, er kann nun großzügig als Bauherr, Sammler und Mäzen agieren. Mag er im Zorn aus Frankreich geschieden sein, nun vermittelt er das kulturelle Verständnis, das er am Hof des Sonnenkönigs in Versailles kennengelernt hat, nach Wien. Seine finanziellen Investitionen schreiben nun Wiener Kunst- und Kulturgeschichte. Welch ein Doppelleben! Noch immer wird er Jahr für Jahr, drei Kaisern dienend, Kampagnen leiten und quer durch Europa Soldaten befehligen. Daneben pflegt der feinsinnige Ästhet seine Leidenschaft für Gelehrsamkeit, Wissenschaft und Kunst.


Versailles in Wien. Eine Grand Tour einzig auf den Spuren des Prinzen Eugen – zweifellos eine attraktive Reise, von Wien nach Turin, wohin seine Gemäldesammlung von geldgierigen Erben verkauft wurde, über Budapest, wo ihm Lukas von Hildebrandt ein Lustschloss errichtete, über die Marchfeld-Schlösser, exzeptionelle barocke Gesamtkunstwerke, zurück nach Wien! Beginnen müsste die Reise im geistigen Mittelpunkt Österreichs, dem Prunksaal der Nationalbibliothek. Er enthält die Bibliotheca Eugeniana, aus dem Nachlass des Prinzen von Karl VI. für die Hofbibliothek erworben. 15.000 erlesene Druckwerke, „nur Ausgaben der schönsten und seltensten Art“. Ein kurzer Spaziergang hinüber zur Albertina. Ab seinem 50.Geburtstag beginnt Eugen mit dem Sammeln von Zeichnungen, vor allem von Kupferstichen, die Sammlung ist seit 1920 in der Albertina.

Dann zum Reiterstandbild des Prinzen auf dem Heldenplatz, 1865 vom Staatskünstler Anton Dominik Fernkorn errichtet, sechs Jahre nach Solferino und ein Jahr vor Königgrätz, beide Male wird ein Feldherr dieses Kalibers vermisst. Oder ist es ein Hinweis für die undankbaren nationalistischen Ungarn, zu bedenken, wem sie die Befreiung von den Türken zu verdanken haben? Die ideologischen Vereinnahmungsversuche nehmen im 20.Jahrhundert dann widerwärtige Formen an, sie reichen von Hugo von Hofmannsthals kriegshetzerischem Kinderbuch „Prinz Eugen“ von 1915 bis zur Vereinnahmung durch deutschnationale Prinz-Eugen-Bücher, die ihn vor den Karren der Eroberungspolitik im Osten spannen. Und das alles einem Mann, der sich in drei Sprachen unterschrieb (Eugenio von Savoy) und eine multinationale Armee kommandierte.

Die grassierende Bauwut des Kaiserhauses und der Wiener Aristokratie um 1700 grenzt an Besessenheit. Getrieben von der Idee der dynastischen Selbstdarstellung werden Stadtpalais und vor den Mauern und Bastionen Sommerresidenzen und Parks errichtet. Eugen verliebt sich in ein leicht ansteigendes Grundstück, dessen Anhöhe einen wunderschönen Blick auf Wien bietet. Hier entstehen nach dem Vorbild von Versailles Terrassen, Bassins, Hecken. Der Bau des dazugehörigen Gartenpalais nach den Plänen von Lukas von Hildebrandt dauert dann bis 1716, der Prinz verfügt erst nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekriegs über die nötigen Mittel für ein Projekt dieser Größenordnung. Ergebnis ist jene wunderbare Komposition von Sommerschloss und Garten, die von Maria Theresia den Namen Belvedere erhält.


Staatsfinanzen. 250 Jahre lang haben die Wiener beim Spaziergang durch die Himmelpfortgasse, vorbei an der prunkvollen Fassade des Hauses Nummer 8, möglicherweise nicht zuerst an den Prinzen gedacht, der dieses Palais erbaut und bewohnt hat, sondern an den jeweiligen Finanzminister, der hier residiert und die stets desolaten Staatsfinanzen verwaltet. Das könnte sich nun ändern, wenn hier zum 350.Geburtstag des Bauherrn das neue Barockmuseum vorgestellt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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