Martina Steckholzer: Die ganz Genaue

Martina Steckholzer
Martina Steckholzer(c) Die Presse (Julia Stix)
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Die österreichische Künstlerin Martina Steckholzer hat schon potente Sammler betört – und will sich auf gar keinen Fall festlegen lassen.

TIPP

Als Charles Saatchi, der wohl berühmteste, zugleich aber auch umstrittenste Kunsthändler, Sammler und Promotor zeitgenössischer Kunst weltweit, 2006 in der Londoner Wilkinson Gallery auf einen Schlag Martina Steckholzers halbe Ausstellung kaufte, verschlug es der jungen Künstlerin fast die Sprache. „Als ihn mir die Galeristin als ,Charles‘ vorstellte, war ich total aufgeregt und mein Englisch ist plötzlich total schlecht geworden“, erinnert sie sich an diese Begegnung bei der Vernissage zu ihrer überhaupt ersten Einzelausstellung auf internationalem Terrain.

„Das gesamte Ausstellen in England war aufregend, das Setting – zum Beispiel, dass man ein Hotel bezahlt bekommt“, sagt sie und lacht. „Jetzt bin ich schon etwas geläuterter und es ist nicht mehr so aufregend wie früher.“

Seitensprung. Nur wenige Jahre ist es im Grunde her, dass Martina Steckholzer, 1974 geborene Südtiroler Malerin, ihre bemerkenswerte Karriere startete. Um 2003 hatte sie die renommierte Wiener Galerie Meyer Kainer ins Programm geholt, auf Messen mitgenommen und ihr 2004 schließlich die Möglichkeit ihrer ersten Einzelausstellung gegeben. Da hatte Steckholzer eben ihr Malereistudium bei Gunter Damisch an der Schillerplatz-Akademie ab­geschlossen und an einigen kleinen Gruppenausstellungen teilgenommen. Ein einjähriges Intermezzo in Heimo ­Zobernigs Bildhauereiklasse mit eigener Aufnahmsprüfung war für sie ebenso inspirierend wie das Grundlagen­­an­gebot in Sachen Malerei und Drucktechnik. „In der Malereiklasse haben wir eine Gruppe gebildet, um uns gegenseitig zu kritisieren“, sagt sie. „Und bei Zobernig, wo ich als Malerin vor allem auf Künstler traf, die mit Video,
Installation und Performance arbeiteten, herrschte einfach ­eine gute Diskussion.“

Der Seitensprung ist schlüssig. Denn für Steckholzer war das Video von Beginn an ein Leitmedium ihrer Malerei. „Ich habe immer eine Kamera dabei, weil ich für meine Malerei lange von Videos ausging, aus denen ich Stills von Museums-, Ausstellungs- und Messesituationen herausfilterte. Die Idee dahinter ist, dass ich die Kamera bei der Betrachtung von Kunst als ein ,Alter Ego‘ sehe.“

Video mit seinen festen Bildproportionen, seiner technoiden Ästhetik und seinem dokumentarischen Charakter schlägt sich nicht nur in der Genauigkeit ihrer Malerei, sondern auch im Format nieder. In Anlehnung an das klassische 4:3-Videoformat hatten die Bilder über einige Jahre konstant das Seitenverhältnis 170 Zentimeter Breite zu 130 Zentimeter Höhe. Nicht selten hatte ihnen die Künstlerin darüber hinaus auch jegliche Farbe entzogen und die Buntheit auf ein neutrales Schwarz-Weiß-Grau zurückgeschraubt.

Entsprechend sachlich fallen auch die Titel aus. So nannte Steckholzer ihre erste Schau in der Stammgalerie trocken: „Messe“. „Ich reflektiere in der Arbeit mein Erleben der zeitgenössischen Kunst“, sagt sie. „Dafür sammle ich Motive, greife auf ­Zwischenbilder, Erinnerungen zurück und halte sie für den Betrachter offen, damit dieser ein Déjà-vu erleben kann.“

Mit der inhaltlichen Lockerung geht zugleich eine formale Öffnung einher: „In der letzten Zeit löst sich der Videocharakter mehr und mehr auf, zugunsten einer heterogenen Herangehensweise.“
Nichtsdestotrotz bleibt Reflexion der rote Faden, der die  Bilder, die sie ihrer aktuellen Ausstellung in der Stadtgalerie Schwaz spielerisch dicht über die Wände verteilt und bald hoch, bald tief gehängt hat, miteinander verbindet – wenngleich sie von ihrer Formensprache her auf den ersten Blick so verschieden daherkommen, als ­wären sie nicht von einer Hand gemalt, sondern von unterschiedlichen Künstlern. Nicht nur hat sich Steckholzer hier erstmals vom starren 3:4-Maßstab gelöst und die Bilder bisweilen sogar um 45 Grad gedreht.

Sie hat auch ganz entschieden Op-Art-Sujets neben Farbfeldkompositionen gehängt, Minimalismus- und Popzitate neben solche der Klassischen Moderne und des Surrealismus gestellt, malerische Verwischungen ebenso eingestreut wie strenge Geometrien und Fährten gelegt, die im Zickzackkurs von Chagall und Mondrian über den Minimalismus eines Donald Judd hin zur Anarchitecture eines Gordon Matta-Clark und zu den psychedelischen Räumen der
japanischen Grenzgängerin Yayoi Kusama führen.

Quellen zum Spüren. Im Nachhinein legt Steckholzer darüber schließlich via Titelgebung „noch ein weiteres textuelles Umfeld. Damit führe ich noch eine assoziative Ebene ein“. Im konkreten Fall sind es Fragmente aus einem Vortrag der Grande Dame des postmodernen Zitats, Elaine Sturtevant. „The Stellas Looked Like Stellas“ zum Beispiel. Oder „This Is to Fill a Hole“. Solche Quellen kann man ­eigentlich allein aus der Anschauung heraus nicht identifizieren – aber man spürt sie. Denn das ist eine der großen Qualitäten von Martina Steckholzers sinnlich-­konzeptueller Malerei: dass sie durch die stetige Herbei­führung von Kurzschlüssen den Funken der zeitgenössischen Kunst zum Überspringen bringt. Zufällig. Und trotzdem punktgenau.

Stadtgalerie Schwaz: „Martina Steckholzer“. Bis 11. 4.

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