Superfrau und Kochtopfmann

(c) Moufida Fedhila
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Welche Rolle spielt Kunst in den heutigen Revolutionen? Welche spielte sie im Arabischen Frühling? Der Kunstraum NÖ nimmt Tunesien als Beispiel.

Kunst und Revolution mochten sich immer. Meistens aber war es ein recht einseitiges Techtelmechtel, die Kunst illustrierte das Geschehen etc. Beobachtet man die Protestbewegungen der vergangenen Jahre, denkt man an Pussy Riot oder an die performancelastigen Maidan-Proteste, merkt man aber: Die Zivilgesellschaft benützt immer öfter künstlerische Strategien – Performance, Partizipation, Graffiti etc. –, was im Vorfeld politischer Umstürze sogar gezielt gefördert wird. Künstler gelten nicht umsonst als „Change Maker“ oder „Agents of Change“.

Peter Weibels Ausstellung „Global Activism“ vor drei Jahren in Karlsruhe hat diese Entwicklung auch ästhetisch auf den Punkt gebracht. Oder auf die Punkte, geografisch gesehen. Einer von diesen war Tunesien, wo während der Ben-Ali-Diktatur strenge Zensur herrschte. Während und nach der Revolution 2011 aber blühte die Szene auf. Eine Ausstellung gerade im Wiener Kunstraum NÖ konzentriert sich jetzt auf Kunst im öffentlichen Raum in Tunesien, geschaffen von internationalen Künstlern und Künstlerinnen.

Achse der Wunder: Tunis/NÖ

Dieser doch etwas exotische Konnex erklärt sich durch das französisch-österreichische Kuratorinnenduo Christine Bruckbauer und Patricia K. Triki, von denen Letztere in Tunesien lebt. Für Wien haben sie 15 völlig unterschiedliche Projekte ausgewählt, von plakativ über poetisch bis schwer konzeptuell, von Menschen, die Schilder mit „Ende der Korruption“ hochhalten (Arslane Bestaoui) bis zu einer dreiteiligen Videoinstallation, die uns schlicht eine „beruhigende Stabilität ausstrahlende“ Landschaft im Süden Tunesien zeigt (Faten Rouissi). Einen roten Faden wird man hier jedenfalls keinen finden, auch keine These, ob und welchen Einfluss gerade diese Kunst hatte. Aber man kann einiges lernen, einiges entdecken. Etwa das Video der Tänzer Selma und Sofiane Ouissi, zwei wichtige Vertreter des zeitgenössischen Tanzes im arabischen Raum, die aus uralten Bewegungen des Töpferns eine suggestive Pantomime entwickelten.

Es gibt in Tunesien auch eine Superfrau, Moufida Fedhila schlüpfte vier Monate nach dem Umbruch ins Kostüm dieser tunesischen Sci-Fi-Heldin mit wehendem goldenen Mantel. Sie teilte diese Ermächtigungspose auch mit anderen, ließ etwa Leute von der Straße das Kostüm probieren. Als eine Art männliches Gegenstück fungiert Halim Karabibene, der sich anders als andere in Österreich kein Nudelsieb aufsetzt, sondern einen Schnellkochtopf – um so ausgerüstet als Maskottchen eines noch zu gründenden Nationalen Museums für Moderne und Zeitgenössische Kunst (MNAMC) durch die Straßen von Tunis zu ziehen. Die Arbeit, die ungewöhnlich, ja überraschend sanft und fröhlich stimmt, stammt von zwei Österreichern, Johanna und Helmut Kandl. 2013 erfanden sie rund um das reale Dorf Chénini ein Bildermärchen, einen fiktiven Rückblick aus dem Jahr 2020, in dem durch Kräuteranbau für Bobo-Haushalte aus aller Welt etc. für dieses von vegetativer und sozialer Verödung bedrohte tunesische Dorf tatsächlich alles gut geht. Bei einer ganz anderen Recherche zwei Jahre später stießen die Kandls per Zufall auf ein Projekt, das dieses Märchen fast wahr wirken lässt: In Bir Salah pflanzte ein Ehepaar Akazienbäume an, gründete ein Gemeindezentrum, organisierte Schulungen für Frauen. Alles wird gut. Vielleicht manchmal ja wirklich.

The Turn. Bis 14. 5. Kunstraum NÖ, Herreng. 13, Wien 1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2016)

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