KHM: Das Pelzchen und das skeptische Selbst

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Das Kunsthistorische Museum zeigt flämische Frauenbilder als „Intermezzo“. Eine vergebene Chance.

Man weiß weder das Datum ihrer Geburt noch ihres Todes. Gesichert ist allein, dass die Malerin Michaelina Woutiers zwischen 1640 und 1660 für eine Malerin ungeheuer große Gemälde schuf und als „unverheiratete Frau“ bei ihrem Bruder Charles in Brüssel lebte. Ebenfalls Maler, wurden anfangs ihm die Bilder der Schwester zugeschrieben – derartige Formate, über drei Meter lang, waren für barocke Künstlerinnen lange Zeit einfach nicht denkbar, sind außer von Michaelina auch schlicht nicht bekannt. Erst vor rund 50 Jahren also schrieb man das riesige „Bacchanal“ im KHM endgültig richtig zu, erzählt Kuratorin Gerlinde Gruber.

Diese massige Darstellung des Bacchus-Umzugs – viele nackte Männer, zwei ziemlich bekleidete Frauen, darunter ein seltsam stoisch die rechte Brust präsentierendes Selbstporträt der Künstlerin – gibt jetzt das delikateste Exponat einer Ausstellung im Sonderschauraum Nummer VIII. Unter dem einfältigen Titel „sinnlich, weiblich, flämisch“ zeigt man hier „Frauenbilder rund um Rubens“, eine Sommerschau für zwischendurch, die laut KHM-Generalin Sabine Haag eine „leichtfüßigere Art der Präsentation“ einleiten soll, die neue Reihe „Intermezzo“. Zwischen den Großausstellungen können so Werke aus der ehemaligen Sekundärgalerie wieder ans Licht kommen.

Eine schöne Idee eigentlich, mit zwei Haken – dieses erste „Intermezzo“ ist der „großen“ Interieur-Ausstellung zuvor, ebenfalls einräumig und ohne eigenen Katalog, sogar noch karger inszeniert, mindestens ebenbürtig. Bleibt zu hoffen, dass die nachfolgende „große“ Ausstellung (Vermeer ab Ende Jänner 2010) dem nächsten „Intermezzo“ (Porträts) mehr eigenen Charakter ermöglicht.

Zweitens wurde mit der betont lockeren Ausstellung ein Thema mit enormem Potenzial verschenkt: Die Geschichte der Frauendarstellungen zu Zeiten Rubens gäbe wohl allemal mehr her als ein „Intermezzo“. Rund um drei Rubens-Werke gruppierte Gruber barocke Darstellungen von Frauen. Die züchtigen Darstellungen, also bekleidet, finden sich an der Eingangswand, hier wird in Genrebildern der bürgerliche Stolz repräsentiert. Die Körper der Göttinnen dagegen gehörten allen – in den Mythenbildern wabern einem Busen und Hüften nur so entgegen, wenn sie Glück haben, dann so samten wie bei Rubens' „Cimon und Efigenia“. Herrlich horrormäßig der scharfe Blick, den Efigenia dem alsbald durch Hochzeit geläuterten Bauernvoyeur aus fast geschlossenen Lidern sendet.

Vor allem aber der direkte Vergleich des berühmten „Pelzchens“, Rubens' rätselhaften Erotikporträts der jugendlichen Gattin Helene Fourment, mit Michaelina Woutiers' in der Nähe hängenden skeptischen Selbstporträt als Bacchantin bietet Stoff zum Weiterdenken über die gar nicht so simpel „sinnlichen“ Geschlechterrepräsentationen im Barock – nimmt man noch die Lady Gaga ihrer Zeit sozusagen, den zwischen den Geschlechtern oszillierenden Bacchus, und die maskuline Jagdgöttin Diana dazu.

Frauen, Blumen und ein Zufall

Ansatzweise werden hier also sehr wohl relevante Aspekte der Frau im Bild angerissen – durch drei Malerselbstporträts, darunter Rubens' berühmtes, wird auch der fast ausschließlich männliche Blick auf weibliche Körper thematisiert. Wohlmeinend könnte man die zwischen die Frauendarstellungen gestreuten Blumenstillleben an der dichten Galeriewand jetzt als Hinweis darauf auf die leichte Schulter nehmen, dass sich Malerinnen im Barock eben vor allem auf Stillleben konzentrierten (obwohl keines hier von einer stammt). Und das tiefe Violett der Wände, die historische Farbe der Frauenbewegung, interpretiert man dann frohen Mutes als feministisches Statement. Dabei war sie reiner Zufall, eine ästhetische Entscheidung, damit die Farben der Bilder stärker strahlen.

Bis 13.Dezember.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2009)

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