Elfie Semotan: „Frauen sind heute oft schön und klug“

 „Zu viel Professionalität kann zu Steifheit führen. Man muss sich die Spontaneität bewahren“, sagt die Fotografin Elfie Semotan, die u. a. Kampagnen für Römerquelle, Palmers und das Wiener Modehaus Liska gemacht hat.
„Zu viel Professionalität kann zu Steifheit führen. Man muss sich die Spontaneität bewahren“, sagt die Fotografin Elfie Semotan, die u. a. Kampagnen für Römerquelle, Palmers und das Wiener Modehaus Liska gemacht hat.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Elfie Semotan über halbrunde Geburtstage und den Umgang mit Leid. „Ich bin öfter allein als in Gesellschaft. Ich mag beides“, sagt die Fotografin, die früher Model war. Darum hält sie die Modelsendungen im Fernsehen nicht aus.

Die Presse: Wie feiern Sie Ihren 75. Geburtstag am 25. Juli?

Elfie Semotan: Diesmal gibt es eine ganz kleine Feier, weil ich mich mit den Leuten unterhalten möchte, und wenn es zu viele sind, wird das schwierig. Ich feiere im Burgenland, weil das ein guter Ort ist, um Freunde zu treffen. Manche wohnen bei mir im Haus, manche in einer Pension. Man hat zwei oder drei Tage, und das ist schön. Mein Sohn Ivo hat am gleichen Tag Geburtstag wie ich. Wir feiern immer zusammen.


Sind Sie lieber allein oder in Gesellschaft?

Ich bin öfter allein als in Gesellschaft. Ich mag beides, aber ich kann nicht andauernd gesellig sein. Ich brauche das Alleinsein.


Sie waren Model und sind Fotografin. Was hat sich in der Mode verändert?

Wir sollten wieder mehr Dinge kaufen, die 20 Jahre lang halten. Wir kaufen ständig Neues und werfen es weg, das können wir uns umweltmäßig nicht mehr leisten. Andererseits: Wenn Sie H&M hernehmen, manchmal entwerfen auch große Designer für diese Kette Modelle – und die Mode ist billig und gut.


Wo kaufen Sie Ihre Sachen?

Ich kaufe vorzugsweise Schlichtes. Zum Beispiel von Helmut Lang, Yōji Yamamoto oder Rei Kawakubo, die Comme des Garçons gegründet hat. Ihre Kreationen sind großartig, man zieht sie nicht an, weil man schöner sein will, sondern, weil man eine Idee von sich selbst hat und diese mit der Mode ausdrücken will. Manche modischen Sachen mag ich gar nicht, und andere würde ich nicht anziehen: enge Kleider und kurze Röcke zum Beispiel, über das Alter bin ich hinaus.


Früher gab es einerseits Modeschöpferinnen wie Gertrud Höchsmann, die Sie bevorzugt haben. Und Fred Adlmüller, der auch sehr üppige Kollektionen entwarf. Wie stehen Sie zu Adlmüller?

Adlmüller war ein Vorläufer von Versace. Meine Linie ist das nicht, aber er war ein guter Modedesigner und ein Vorreiter. Das Glitzernde, Laute und Schrille war damals ungewöhnlich. In der Nachkriegszeit war Mode nicht das Wichtigste im Leben, die Leute haben ihre Existenzen aufgebaut und sich nicht so viel um Mode gekümmert.


Sehen Sie sich „Germanys Next Top Model“ mit Heidi Klum an?

Ein Mal fünf Minuten! Ich halte das nicht aus. Man muss diese Mädchen ermutigen und nicht heruntermachen. Das ist das Prinzessinnenmärchen. Das träumen viele. Ich habe auch Grimms Märchen gelesen – als Kind. Aber sie sind oft sehr grausam.


Es ist sehr wichtig geworden, schön zu sein. Wichtiger als früher?

Der Zwang, ganz toll zu sein, ist größer geworden. Früher gab es traditionelle Verhaltensmuster, man hat in eine Familie hineingeheiratet, die mit der eigenen gesellschaftlich gleichberechtigt war. Heute ist alles total durcheinander. Da spielt das Aussehen unter Umständen die entscheidende Rolle. Aber ich würde keinen Mann heiraten, den ich einfach nur gut aussehend finde. Das käme mir absurd vor. Man heiratet eine Persönlichkeit mit allen Qualitäten.


Kennen Sie den Spruch „Frauen, seid lieber schön als klug. Männer können besser sehen als denken“?

Der Spruch stimmt. Aber die Frauen sind heute oft nicht nur schön, sondern auch klug und sehr gut ausgebildet.

Was meinen Sie: Ist Fotografieren ein Handwerk oder eine Gabe?

Beides. Sarah Moon hatte keine Ahnung vom Fotografieren, aber sie hat sich den besten Assistenten genommen. Ich hatte auch keine Ausbildung, habe aber bei einem Fotografen gelernt. Zu viel Professionalität kann zu Steifheit führen. Man muss sich die Spontaneität bewahren. Ich habe eine digitale Leica und eine Hasselblad, die Hasselblad habe ich auch analog. Ich mache nur mehr selten Auftragsarbeiten. Ich fotografiere jetzt hauptsächlich Stillleben und den Wald, am liebsten im Frühling und im Herbst. Den grünen Sommerwald mag ich nicht für Fotos. Ich habe auch sehr viele Polaroids gemacht.


Sie sind jetzt wieder sehr in Mode.

Ja. Ich habe die Polaroids dazu verwendet, um einen besseren Überblick zu bekommen, über das, was ich mache bzw. machen wollte.


Schauen Sie sich diese Mode-Blogs junger Frauen im Internet an? Das ist oft reine Produktwerbung – wie im Fernsehen.

Ich schau mir nicht gern Fernsehwerbung an. Sie funktioniert immer nach dem gleichen Schema. Diese Mode-Blogs kenne ich. Leider wird diese Idee, dass jemand sich durch exzentrische Mode darstellt, sofort wieder von der Wirtschaft aufgenommen. Dann wird das Ganze ein Geschäft. Aber das Phänomen finde ich interessant.

Es wird in unserer Welt sehr viel reguliert. Zum Beispiel gibt es in Modemagazinen teilweise fast nur mehr Markenwerbung.

Früher konnte eine Moderedakteurin 15 Seiten nach ihrem eigenen Gutdünken zusammenstellen. Heute kommen fast alle Kleider von den Leuten, die die Seiten mit Werbung bezahlt haben. Also Chanel, Dolce & Gabbana und so weiter. Du kannst keinen jungen Designer mehr zwischen die etablierten Marken stellen, weil diese so viel Geld gezahlt haben. Das ist ein großer Nachteil.


Sie waren mit zwei sehr bekannten Malern verheiratet, mit Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger, beide sind in den 1990er-Jahren gestorben. Haben Sie mit Ihrem Schicksal gehadert?

Nein. Das bringt nichts. Außerdem war mein jüngerer Sohn, August, zehn Jahre, als Kurt Kocherscheidt, sein Vater, gestorben ist. Man darf einem Kind nicht sein Leid aufbürden und ihm sein Kindsein nehmen. Man muss sich zusammenreißen. Für Kinder in diesem Alter ist der Tod sehr abstrakt. Ich habe meine beiden Männer sehr geliebt. Sie haben mich begleitet – und sie begleiten mich immer noch. Es ist ganz schwierig, einen Partner zu finden, mit dem man wirklich zusammen sein möchte. Ich habe sogar zwei gefunden. Das ist selten. Dass es ein drittes Mal gelingt, ist fast unmöglich. Aber dafür werde ich jetzt bald Großmutter!

ZUR PERSON

Elfie Semotan, 1941 in Wels geboren, veröffentlichte ihre Fotos u. a. in der „Vogue“, „Elle“, im „Esquire“, in „Marie Claire“, „Harper's Bazaar“ und „The New Yorker“. Bekannt wurde sie auch durch Kampagnen für Römerquelle und Palmers sowie durch ihre Zusammenarbeit mit Helmut Lang. Buch: „Eine andere Art von Schönheit“ (Brandstätter).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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