Mehr als Folklorekunst

Von Entang Wiharso ist „Shrounds Have No Pockets“ zu sehen.
Von Entang Wiharso ist „Shrounds Have No Pockets“ zu sehen.(c) Galerie Hilger
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Die Galerie Hilger hat sich für die Schau "Terra Incognita" den Südostasienexperten Matthias Arndt geholt. Die Region wird vom Westen gerade entdeckt.

Terra incognita“ ist der Titel einer Ausstellung, die die Galerie Hilger in der Brot-Kunsthalle anlässlich des Galerienfestivals Curated by ab 15. September zeigen wird. Die Ausstellung soll einen Überblick über die wichtigsten Strömungen zeitgenössischer Kunst aus Südostasien und Australien geben, ein aus kunsthistorischer Sicht für den Westen unbekanntes Terrain. Dafür hat sich die Galerie den Deutschen Matthias Arndt als Kurator geholt, einen der profundesten Kenner der Kunst des pazifischen Raums.

Er beschäftigte sich früh mit der Kunst von Indonesien, den Philippinen, Thailand und Kambodscha und eröffnete eine Galerie in Singapur. Gleichzeitig begann er auch, Künstler des südostasiatischen Raums in seiner Berliner Galerie zu zeigen. Später lebte er ein paar Jahre in Australien und entdeckte, dass die australische Kunst eine große Nähe zur südostasiatischen Kunst aufweist. Seinen Job als Galerist hat er längst an den Nagel gehängt und eine Agentur gegründet, die Künstler, Sammler und Institutionen berät und Ausstellungen kuratiert. So ist er Mitglied im Tate Asia-Pacific Acquisitions Committee, Consulter in der National Gallery of Australia und bekam vom französischen Kulturministerium für seine Verdienste den Orden der Künste und der Literatur verliehen. Sein Anliegen ist es, die Kunst des pazifischen Raums dem internationalen westlichen Kunstmarkt näherzubringen.

Interesse geweckt. Der Westen verband die Kunst dieser Region vor allem mit Folklore- und Volkskunst. „Anfangs stieß ich bei meinen deutschen Kollegen auf Unverständnis, doch Kuratoren, Sammler und Museen aus Europa, den USA und Australien schauten genauer hin und begannen, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. Die Sammlung Olbricht erwarb früh in Hongkong eine große Installation von Entang Wiharso aus Indonesien, die Sammlung Wemhöner eine Installation von Eko Nugroho, die dann auch in der Ausstellung ,Luther und die Avantgarde‘ in Wittenberg gezeigt wurde“, sagt Arndt. Inzwischen haben auch andere renommierte Institutionen Südostasien entdeckt. So zeigte der Frankfurter Kunstverein im Vorjahr die Ausstellung „Roots. Indonesian Contemporary Art“. Auf der diesjährigen Biennale von Venedig sind Indonesien und die Philippinen mit Länderpavillons vertreten. Neben Singapur positioniert sich auch Australien als Art Hub für südostasiatische Kunst und trägt mit einer Reihe von Veranstaltungen wie der Asia Pacific Triennale und Museumsprojekten zur Internationalisierung des Markts bei. Und Hugo Boss hat 2015 erstmals seinen etablierten Kunstpreis Hugo Boss Asia Art Award an eine Künstlerin aus den Philippinen verliehen.

Was den Markt betrifft, ist die Kunst dieser Region noch am Anfang. Die Länder verfügen über wenig Infrastruktur. „Die Unterstützung der Sammler beispielsweise in Indonesien ist historisch gewachsen. So gibt es reichlich Abnehmer für die Kunst im eigenen Land, daher fehlt den kommerziellen Galerien das Verständnis dafür, dass sie die Künstler auch international vermarkten müssen“, sagt Arndt. Das gelte auch für die anderen Ländern der Region. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die indonesischen Galerien Nadi Gallery, Can's Gallery und Roh Project, die laut Arndt auch international aktiv und zum Beispiel bei der Art Basel Hongkong vertreten sind. Für Sammler böte südostasiatische Kunst große Chancen. „Wichtige Arbeiten von hochkarätigen Künstlern kosten einen Bruchteil von jenen westlicher Künstler“, sagt Arndt. So kosten Toparbeiten von Rodel Tapaya, einem der Superstars zeitgenössischer philippinischer Kunst, um die 40.000 Dollar, so der Experte. Doch auch in Südostasien gebe es schon die Spekulation auf Preisanstiege, kritisiert Arndt. So seien Arbeiten bei Auktionen von 20.000 auf 80.000 oder gar 120.000 Dollar gesprungen. „Das führt zu einer Verzerrung.“ Dennoch ist er überzeugt, dass die Region im Kommen ist. „Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Asien. Das wird noch ein richtig heißer Markt werden.“

Die Ausstellung „Terra Incognita“ ist die erste in Österreich, die einen relevanten Überblick der Region zeigt und musealen Charakter hat. „Ich habe für diese Ausstellung viel Geld in die Hand genommen“, sagt Hilger. Der Großteil der Werke sei käuflich, aber es gebe auch zahlreiche Werke, die aus wichtigen Sammlungen geliehen wurden. Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Rodel Tapaya, Del Kathryn Barton, Zean Cabangis, Yudi Sulistyo, Entang Wiharso und Agus Suwage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2017)

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