Valie Exports Vorlass ist gelandet

Wie passt sich der Frauenkörper ein in den Stadtraum? In die Architektur? „Der Mensch als Ornament“ beschäftigte Valie Export schon 1967.
Wie passt sich der Frauenkörper ein in den Stadtraum? In die Architektur? „Der Mensch als Ornament“ beschäftigte Valie Export schon 1967.(c) Lentos Museum/Valie Export Center Linz/Bildrecht Wien, 2017
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Vor zwei Jahren hat die Stadt Linz das Archiv von Valie Export, einer Ikone der frühen feministischen Medienkunst, angekauft. Jetzt wird es im Lentos Museum erstmals präsentiert.

Gerade erst hatte sich die junge Künstlerin Waltraud Lehner den „Nome de Guerre“ Valie Export (in Versalien!) verpasst – schließlich ging es ihr um den „Export“ ihrer Ideen. Was sie Ende der 60er radikal tat – indem sie mit ihrer „Genitalpanik“-Hose, die Waffe in der Hand, den Schritt frei, durch Kinoreihen marschierte. Indem sie Peter Weibel am Hundehalsband durch die Kärntner Straße führte. Oder eines Abends im Cafe Altwien versonnen ihr Zigarettenpackerl betrachtete. Smart Export. Hergestellt in der Tabakfabrik ihrer Heimat Linz. Ein Logo, das war's, was sie jetzt brauchte, erzählt Export heute über die Idee dieser Nacht 1967, in der sie gleich begann, das Packerl zu bearbeiten: ihr Gesicht einzukleben, „Smart“ mit dem „Valie“-Schriftzug auszutauschen. Export und „made in Austria“ blieben stehen.

Wie aus Protest hielt sie die neue Packung direkt in die Kamera, neben ihr Gesicht – ein Selfie, das heute eine Ikone der frühen feministischen Medienkunst ist, für die Valie Export eine wesentliche Pionierin ist. Linz hat das nicht vergessen, dieser Tage feiert die Stadt den 2015 um 700.000 Euro von ihr beschlossenen Ankauf von Exports Vorlass: Mit einer Ausstellung im Lentos. Morgen, Freitag, mit der Eröffnung des „Valie Export Centers“ in der Tabakfabrik, wo sonst. Das berühmte Tschickpackerl? Ist nicht im Archiv, es wurde vor einigen Jahren vom MoMA New York angekauft. In den großen Wiener Museen dagegen sei sie „spärlich“ vertreten, sagt Export. Umso mehr freue es sie, sei sie sogar dankbar, dass die Stadt Linz sich so um den Ankauf ihres Archivs bemüht habe.

Tausende Zeichnungen, Negative, Filme

Es geht in die Sammlung des Lentos ein, das gemeinsam mit der Linzer Kunstuni auch das neue Export-Forschungszentrum betreibt. Hier sollen die von der Künstlerin gesammelten tausenden Skizzen, Negative, Videos, Filme, Korrespondenzen, Zeitungsausschnitte, Bücher, Plakate etc. digitalisiert, studiert, ausgehoben werden können. Wer die Leitung übernimmt, soll nach einer internationalen Ausschreibung heute bekannt werden.

Einen ersten Einblick in das Archiv wird jetzt im Untergeschoss des Lentos gegeben, wo Sabine Folie, ehemalige Leiterin der Generali Foundation, die wesentliche frühe Arbeiten Exports beinhaltet, eine unerwartet spannende Vitrinen-Ausstellung erarbeitet hat. Schnell wird hier Exports Rolle und ihre Aktualität als künstlerische, feministische, politische Person klar: So könnte die derzeitige „metoo“-Debatte vor dem Hintergrund von Exports feministischen Aktionen der 60er Jahren, für die sie sich z. B. öffentlich betatschen ließ (Tapp- und Tastkino), auch auf die mediale Ebene gehoben werden (Kino, TV etc.). Haben sich die Geschlechterklischees hier in 50 Jahren wesentlich geändert?

Ein anderer aktueller Punkt, an den die Kunstszene voraussichtlich demnächst wieder kommen wird, ist in der Vitrine berührt, die Kokoschka-Preisverleihung an Export 2000 betrifft, dem ersten Jahr der schwarzblauen Regierung: Man sieht das Manuskript ihrer Rede, den Brief an den Angewandten-Rektor, in dem sie ankündigt, bei Anwesenheit eines Regierungsmitglieds bei der Preisverleihung den Raum zu verlassen (was beides nicht geschah). Wie sie die Situation jetzt einschätzt? Schlecht. Kunst, Kultur, Wissenschaften scheinen, so Export, bei den Regierungsverhandlungen keine Themen zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2017)

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