Zensur-Eklat auf der Arco

In der Sektion Futura zeigt der Wiener Galerist Emanuel Layr Lili Reynaud-Dewars „Beyond the Land of Minimal Possessions“.
In der Sektion Futura zeigt der Wiener Galerist Emanuel Layr Lili Reynaud-Dewars „Beyond the Land of Minimal Possessions“.(C) Galerie Emanuel Layr
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Die Organisatoren der Madrider Kunstmesse ließen zur Eröffnung Santiago Sierras Fotoserie politischer Gefangener abhängen.

Die Kunstmesse Arco in Madrid begann mit einem handfesten Eklat. Die Organisatoren mussten sich Zensurvorwürfe gefallen lassen, nachdem sie zur Eröffnung die bekannte deutsch-spanische Galeristin Helga de Alvear um die Entfernung eines umstrittenen Werkes des spanischen Konzeptkünstlers Santiago Sierra baten. Mit der Fotoserie wollte der Künstler kritisieren, dass der spanische Staat politisch motivierte Verhaftungen vornimmt. Unter anderem sind auf den Fotos katalanische Politiker und separatistische Aktivisten abgebildet, die wegen ihrer Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien und der Ausrufung einer unabhängigen Republik im Oktober in Untersuchungshaft sitzen. Es handelt sich um Kataloniens ehemaligen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras und die beiden Vorsitzenden der separatistischen Bürgerbewegungen ANC und Omnium Jordi Sanchez und Jordi Cuixart. Auf den Bildern sind die Gesichter zwar verpixelt, Texte unter den Fotos ermöglichen es aber, die Personen zu identifizieren.

Dieser Schritt löste einen Proteststurm aus, der weit über die Kunstszene hinausging. Santiago Sierra kritisierte in einer Stellungnahme, dass der Akt der Zensur das Ansehen der internationalen Messe und des spanischen Staates ernsthaft beschädige. Die Direktion der Messe räumte nach dem Aufschrei ein, man habe Polemiken vermeiden wollen. Der Schuss ging aber nach hinten los.

Werk verkauft. Für die Arbeit war dieser Skandal jedoch die beste Werbung. Die Galeristin hat laut „The Art Newspaper“ das Kunstwerk für 80.000 Euro an den katalanischen Medienunternehmer und Sammler Tatxo Benet verkauft. Er will das Werk spanischen Museen und Galerien für Ausstellungen zugänglich machen. „Ich möchte damit jedermanns Recht darauf, das Kunstwerk sehen zu können, wiederherstellen“, wird er von der Zeitung zitiert. Er habe gewusst, dass es sich um ein kraftvolles Werk handle, aber hätte sich nicht gedacht, dass es zensuriert werden würde. „Das ist eines der Motive moderner Kunst: eine Debatte auszulösen“, sagt der Sammler gegenüber „The Art Newspaper“.

Dabei hätte die 37. Ausgabe der Messe, die noch bis heute Abend geöffnet ist, einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft bereiten sollen. Anstelle des üblichen Gastlandes entschied sich Direktor Carlos Urroz heuer für eine kuratierte Sektion zum Thema „Zukunft“. Kuratiert wurde die Sektion von den drei Kuratorinnen Chus Martinez, Elise Lammer und Rosa Lleo, die das Motto des argentinischen Poeten Jorge Luis Borges interpretierten: „Zukunft ist nicht das, was passiert, sondern das, was wir daraus machen“. Neben zahlreichen Workshops und Expertengesprächen stellen hier 19 Galerien aus verschiedenen Ländern jeweils ein bis zwei Künstler vor. Hier findet man auch den Wiener Galeristen Emanuel Layr, der die Filmproduktion und dazugehörigen Skulpturen „Teeth, Gums, Machines“ der französischen Künstlerin Lili Reynaud Dewar präsentiert. In dem Film, der eine feministische Performance in Memphis als Hintergrund hat, geht es um Fragen nach kultureller, sozialer und emotionaler Identität. Zu den weiteren Künstlern in dieser Sektion gehören die deutsch-irakische Bildhauerin Lin May Saeed, die mit Styroporskulpturen das Verhältnis der Menschen zur Tierwelt thematisiert, und die Schweizerin Ramaya Tegegne, die sich in ihren Installationen Gedanken über die Zukunft des Kunstmarktes macht. Das brasilianische Künstlerkollektiv Opavivara sieht die Zukunft flexibel und kommt mit ihrer Installation „Transnômades (Tasca fire)“ mit mobilen Verkaufsständen.

Österreichische Galerien. Neben Futura gibt es auf der Messe das Hauptprogramm mit 160 Galerien sowie die Sparten Dialoge mit 13 und Openingmit 19 Galerien, die Werke junger Künstler zeigen. Neben Emanuel Layr sind heuer vier weitere österreichische Galerien auf der Messe: Krinzinger, Krobath, Nächst St. Stephan und Crone. Sie stellen im Hauptprogramm aus. Krinzinger hat unter anderem den spanischen Künstler Secundino Hernández verkauft, der zuletzt in der Sommerausstellung der Royal Academy of the Arts in London zu sehen war. Krobath zeigt Werke von Sebastian Koch und Julian Opie. Nächst St. Stephan setzt auf eine breitere Auswahl ihres Programms, darunter Herbert Brandl, Helmut Federle, Bernard Frize, Katharina Grosse. Und die ursprünglich aus Berlin stammende und nach Wien umgesiedelte Galerie Crone war unter anderem mit Werken von Antony Valerian erfolgreich.

Neben der Futura-Zone gibt es heuer eine weitere Neuerung, die Direktor Urroz eingeführt hat. Erstmals gibt es eine Art Sonderroute für neue Sammler oder Sammler mit geringerem Budget. So werden auf der Messe Werke unter 5.000 Euro speziell mit #mecomprounaobra gekennzeichnet. Damit will er den Verkauf ankurbeln und potenzielle neue Käufer gewinnen. „Man muss kein Millionär sein, um Kunst kaufen zu können“, sagte Urroz bei der Präsentation der Messe gegenüber den Medien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2018)

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