Rockefeller: Die größte Auktion der Geschichte

David Rockefeller.
David Rockefeller.(c) Christie´s
  • Drucken

Peggy und David Rockefeller waren große Kunstconnaisseure. Jetzt wird die gesamte Sammlung für einen guten Zweck verkauft.

Ein zierlicher Mädchenakt mit Blumen von Pablo Picasso aus der Rosa Periode hing jahrzehntelang im New Yorker Townhouse von Peggy und David Rockefeller. Er war in der Bibliothek zwischen zwei Fenstern platziert, die auf die East 65th Street gingen. Für David Rockefeller bedeutete das Sammeln von Kunst, mit dieser zu leben, und nicht, sie zu verwahren. Dieses Gemälde, „Fillette à la corbeille fleurie“, könnte im Mai beim Auktionshaus Christie’s Geschichte schreiben und den letzten Rekord des Malers von knapp 180 Millionen Dollar für „Les femmes d’Alger“ brechen. Geschätzt ist das Werk auf circa 70 Millionen Dollar. Doch spricht man mit Jonathan Rendell, Deputy Chairman Americas von Christie’s, dann traut er diesem Gemälde einen neuen Höchstpreis zu. „Man kann an diesem Picasso nicht vorbeigehen. Es ist eines der großartigsten Bilder, mit denen ich jemals zu tun hatte“, sagt Rendell.

Größte Charityauktion. Geschichtsträchtig ist die Auktion schon heute. Denn Christie’s versteigert im Rockefeller Center in Manhattan Anfang Mai die gesamte Sammlung der Familie Rockefeller, die rund 1600 Lose umfasst und gut eine halbe Milliarde Dollar wert ist. Fast unausweichlich hat sie den Namen „The Sale of the Century“ bekommen. Es wird die größte Charityauktion, die jemals ausgerichtet wurde. Dabei hat Christie’s Erfahrung, versteigerte das Haus doch 2009 die Privatsammlung von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé, die 484 Millionen Dollar einbrachte. Es ist also davon auszugehen, dass die Rockefeller-Auktion – oder vielmehr Auktionen, denn sie gehen über eine ganze Woche – die Erlöse von Yves Saint Laurent übertreffen werden. Was wirkt, ist neben der hohen Qualität der Sammlung und der Einzigartigkeit vieler der Objekte vor allem der Name. „Die Yves-Saint-Laurent-Sammlung haben wir in einem relativ schwachen Markt versteigert und dennoch alles verkauft. Jetzt zeigt sich der Markt wieder in seiner Stärke“, sagt der Americas-Chef. Christie’s hat die Familie Rockefeller schon über Jahre begleitet. „Wir haben vor 15 bis 20 Jahren begonnen, die Sammlung zu bewerten, und haben auch eine digitale Erfassung gemacht, um ein digitales Management zu ermöglichen“, erzählt Rendell. Den Wert der Werke zu erheben sei vor allem wichtig gewesen, um die Entscheidungen über die Schenkungen und Spenden zu ermöglichen.

Vergangenes Jahr starb David Rockefeller mit 101 Jahren. Er war der Enkel des legendären Unternehmers und Ölmagnaten John D. Rockefeller. Per Testament hat er verfügt, dass die Privatsammlung, die seine Frau Peggy und er aufgebaut haben, versteigert wird. Die Erlöse kommen Institutionen zugute, denen beide schon zu Lebzeiten eng verbunden waren, darunter das Museum of Modern Art, die Harvard University, die Rockefeller University und das Council on Foreign Relations.

150 Speiseservices. David Rockefeller ist mit Kunst groß geworden. Sein Elternhaus stand auf dem Platz, wo heute das Museum of Modern Art (MoMA) ist, das seine Mutter mitbegründet hat. Und es war voll mit den feinsten Schätzen, sowohl Antiquitäten als auch Kunsthandwerk. Seine Mutter begeisterte sich für Asiatika und hatte eine besondere Vorliebe für Porzellan. Im Besitz der Familie Rockefeller standen rund 150 verschiedene Speiseservices, die auch in Verwendung waren. Doch es gab auch Perserteppiche, mittelalterliche Tapisserien und Altmeister-Gemälde. Der Wendepunkt, der David und Peggy Rockefeller zu Connaisseursammlern machte, kam jedoch durch MoMA-Direktor Alfred Barr Jr. und dessen Frau, Marga. David Rockefeller hatte 1948 gerade den MoMA-­Board-Platz seiner verstorbenen Mutter übernommen und lud die Familie Barr zum Tee. Marga Barr äußerte sich abfällig über die in ihren Augen banale Gemäldesammlung der Rockefellers. Dies verfehlte nicht seine Wirkung, und alsbald ließ sich das Paar von Barr beraten und in die Szene der besten Händler und wichtigsten Sammler der Zeit einführen. Der größte Sammlercoup gelang Rockefeller 1968, ein Jahr nach dem Tod von Alice B. Toklas, Lebensgefährtin der Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein, die über die Jahre eine herausragende Sammlung moderner Kunst erwarb. Steins Erben waren bereit, 47 Arbeiten von Picasso und Juan Gris zu verkaufen. Rockefeller brachte drei weitere Sammler zusammen, um die 47 Werke aufzuteilen. Das Los entschied, wer als Erster wählen durfte. Rockefeller hatte Glück und durfte sich seine Lieblingswerke als Erster aussuchen, darunter war auch Picassos Mädchenakt mit Blumen. „Die Sammlung bietet außergewöhnliche Qualität, die normalerweise nicht zu bekommen ist. ‚Odalisque couchée aux magnolias‘ von 1923 ist zweifellos der wichtigste Matisse, der seit einer Generation auf den Markt kommt. Oder auch die impressionistische Landschaft ,La rade de Grandcamp (Le port de Grandcamp)‘. Sie ist eines der letzten Gemälde von Georges Seurat in Privatbesitz“, sagt Rendell. Matisse ist auf rund 50 Millionen Dollar geschätzt und damit bereits über seinem bisherigen Höchstpreis von 41 Millionen Dollar. Aber die Rockefellers besitzen auch eine der „Seerosen“-Fassungen von Claude Monet: „Nymphéas en fleur“ ist eine der größten Versionen aus der Serie und auf 35 Millionen Dollar geschätzt. Der bisher höchste Preis für ein „Seerosen“-Werk beträgt 71,8  Millionen Dollar, erzielt 2008 bei Christie’s.

Prominenter Naturschützer. Zu den Höhepunkten der Sammlung gehören Werke von Paul Gauguin, Juan Gris, darunter „La table du musicien“, das besonders gut die Versuche des Künstlers mit Kubismus und Collagetechnik demonstriert, ebenso Arbeiten von Édouard Manet und Paul Signac. „Es ist aber auch die größte Sammlung amerikanischer Kunst, die auf den Markt kommt“, betont Rendell. Die enge Verbundenheit der Familie mit der Geschichte und Landschaft Amerikas prägte auch die Ankäufe von David Rockefeller. Sein Vater war einer der prominentesten Naturschützer Amerikas und spendete Millionen von Dollar für Nationalparks. Die Sammlung reicht von Gilbert Stuarts Porträt von George Washington über Landschaftsbilder von Fairfield Porter bis zu Arbeiten der Künstlerin Georgia O’Keeffe. Die beiden Toplose aus diesem Bereich sind sicherlich „Cape Ann Granite“ von Edward Hopper und „Near Abiquiu, New Mexico“ von Georgia O’Keeffe. Hopper ist auf sechs bis acht Millionen Dollar geschätzt, O’Keeffe auf drei bis fünf Millionen Dollar. Nicht nur bei der bildenden Kunst hatten die Rockefellers ein gutes Händchen. David schenkte Peggy im Dezember 1963 ein Paar Plattfisch-Terrinen aus Chelseaporzellan, entstanden um 1755. Sogar die dazugehörigen Löffel sind noch erhalten. „Es ist ein einzigartiges Objekt. Das Victoria & Albert Museum in London hat nur eine Terrine dieser Art“, so Rendell. Der Schätzpreis beträgt 80.000 bis 120.000 Dollar. Ebenso gehört eine chinesische „Drachenschale“ in weiß-blauem Porzellan, die aus der Zeit Kaiser Xuandes stammt, zu den erlesenen Porzellanschätzen der Familie. Eine nahezu idente Schale steht im Palastmuseum in Taipeh. Der Schätzwert beträgt 100.000 bis 150.000 Dollar. Der Name „The Sale of the Century“ scheint für die Rockefellers mehr als gerechtfertigt.

("Die Presse", Kulturmagazin, 13.04.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Geschichtsträchtige…

Rockefeller Sammlung


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.