Vienna Art Week an der Grenzlinien zum Paradies

Garten Eden. Das Palmenhaus im Wiener Burggarten vor dem Sündenfall.
Garten Eden. Das Palmenhaus im Wiener Burggarten vor dem Sündenfall. Die Presse (Carolina Frank)
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Mit Werken von brüchiger Schönheit fordert das Künstlerduo Hanakam & Schuller die Wahrnehmung des Publikums heraus.

Paradies? Was bedeutet der Begriff heute? Markus Hanakam wird nachdenklich. "Ich würde eher fragen: Was ist das Gegenteil vom Paradies? Das kann eine ganz persönliche Angelegenheit sein. Wenn jemand Leid verspürt, dann ist das das Gegenteil von Paradies." Und was hat das Paradies mit der Kunst zu tun? Oder die Kunst mit ihm? "Ein Aspekt ist, dass es ein okkulter idealtypischer Zustand ist, den man mit Kunst herstellen kann oder nicht", sagt Roswitha Schuller. "In der Kunst stellt das Paradies immer eine Grenzlinie dar. Sie macht einen Raum auf, der einerseits schön ist, andererseits eine Brüchigkeit hat. Diese Brüchigkeit gilt auch für die Kunstgeschichte. Die Ursprungsidee ist, dass es verloren ist und nicht wiederherstellbar."

Anwendbar sieht Roswitha Schuller das Paradieskonzept auch auf die Konsumgesellschaft. "Unsere Marktwirtschaft ist darauf ausgelegt, Räume herzustellen, die möglichst einfach funktionieren, möglichst angenehme Gefühle vermitteln, möglichst viel außen vor lassen." Markus Hanakam: "Aber auch die Kunst kann ein Ort sein, wo Leute versuchen, ein Paradies zu finden ob das nun der Sammler ist, der sich sein Paradies schafft, indem er sich mit Schönem umgibt, oder der Künstler, der seine Unabhängigkeit als paradiesisch empfindet."

Natur als Kulisse für Hanakam & Schullers animierte Objekte.
Natur als Kulisse für Hanakam & Schullers animierte Objekte. Hanakam & Schuller

Betörende Schönheit. Emotionen, Landschaften, die das Attribut "paradiesisch" allemal vertragen, das Jonglierspiel mit den Fetischen der Konsum- und Warenwelt sowie mit dem Kunstsystem, Kultur- und Kunstgeschichte sind denn auch die Ingredienzien, aus denen Markus Hanakam und Roswitha Schuller ihre Werke erschaffen. Mit den Filmen "Bloom" (2011) und "Tour" (2012) sind sie nun zur Vienna Art Week 2018 eingeladen, um diese im Rahmen des performativen Interview-Marathons zu präsentieren. "Promising Paradise" lautet der Titel der diesjährigen Kunstwoche ein Titel, der offenlässt, ob das Paradies ein Versprechen oder bloß versprochen ist.

Diese Offenheit ist ganz im Sinn des Künstlerduos. Pittoreske Landschaften in ihrer drängenden Schönheit fungieren sowohl als hochkarätige Kulissen wie auch selbst als Akteure. So spürt zum einen der frühere der beiden Filme, "Bloom", der Suche nach dem modernen Blick vor dem Hintergrund der Erfindung der Fotografie nach. Zum anderen wird in "Tour" die Landschaft selbst zum Objekt der Begierde, indem sie auf die historische Grand Tour des 18. Jahrhunderts und den Wunsch referiert, das Gesehene und Erlebte in schönen Bildern zu konservieren.

Markus Hanakam (geboren 1979) und Roswitha Schuller (geboren 1984) arbeiten seit 2004 zusammen. Kennengelernt haben sich die beiden, die auch privat ein Paar sind, an der Angewandten, wo sie Skulptur studiert haben. Auch wenn sich Video, Film, Fotografie, Installation und Design als Hauptmedien rasch herauskristallisiert haben, durchzieht das skulpturale Denken ihr Werk wie ein roter Faden.

Hanakam & Schuller

Zwar arbeiten Hanakam & Schuller mit Skulptur keineswegs in einem traditionellen oder konventionellen Sinn, wonach Objekte etwa aus klassischen Materialien wie Stein, Metall, Holz gehauen, gemodelt oder sonst wie geformt werden sollten. Dennoch nimmt in ihren gefilmten oder fotografierten Bildwelten das Objekthafte einen zentralen Stellenwert ein, indem es in den Videos beispielsweise neben der Landschaft die zweite große Riege von Akteuren bildet, gleichrangig neben den Landschaften und weit vor menschlichen Akteuren gereiht. Das an sich Unbewegte drängt sich vor und gibt dem "Movie" einen ganz neuen, ungewohnten Sinn. Da kann dann auch die Sprache zum Material werden, bevorzugt in Form sorgfältig ausgesuchter Texte aus alten Zeiten.

Parallel kommt die Dingwelt ins Spiel, das Materielle, die Welt der Waren und des Konsumfetischismus. Diese Welt stellt ein üppiges Pool für Hanakam & Schuller dar. In ihr sondieren sie Gegebenes und Vorhandenes, isolieren es, stecken Einzelteile neu zu fragilen Artefakten zusammen. Manchmal werden stets mit einfachen Mitteln Geräte simuliert oder andere "Tools" (so die von den Künstlern gewählte Bezeichnung für die Artefakte), Datenbrillen etwa, die mit schillernden Pailletten beklebt sind (siehe Bild links) oder kleine bunte Gegenstände mit unbekanntem Verwendungszweck.

Hauptmaterial ist dabei Kunststoff, meist in verführerischen Farben, oftmals auch banales Plastik, das vorgeformt ist zu Kapseln, Verschlüssen, Behältnissen oder auch Ballons, die überdimensionierte, bunt schillernde Seifenblasen assoziieren lassen. In einer Zeit des Überflusses und Überschusses durchforsten Hanakam & Schuller die Regale der Konsumgesellschaft, um sich deren Kodierung, Sprachregelung und Begehrensmechanismen anzueignen und sie in einem weiteren Schritt wieder auszuhebeln.

Räume und Umgebungen. Wenn das Artefakt Skulptur ist, dann fungiert die behandschuhte Hand, wenn sie dieses vor die Linse hält, wie ein Podest. Zugleich bewegt und animiert sie die Teile, macht den Film somit zum Animationsfilm und verleiht ihm wie auch den Dingen last but not least "anima", Seele, Gefühl. Dann impliziert die Beschäftigung mit der dritten Dimension bei Hanakam & Schuller auch noch die Facette der Räume, die ihre Dingwelten umgeben und kontextualisieren. Diese Räume können unbestimmte Landschaften sein ebenso wie fremde Kulturen oder andere Epochen.  Diese zu untersuchen, deren Grenzlinien auszuloten und zu verschieben ist Teil von Hanakam & Schullers Projekt. Das Spiel mit Unbestimmtheit und Rätsel macht ihre Magie aus.

Tipp

Die Vienna Art Week steht in diesem Jahr unter dem Motto "Promising Paradise". Vom 19. bis 25.11. finden rund 200 Veranstaltungen mit 70 Programmpartnern statt. Zu den Highlights zählen das "Line-up" am 20.11 und der "Open Studio Day"am 24.11.

("Die Presse-Kulturmagazin", 19.10.2018)

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