Österreichische Bildhauerei

Das Phänomen der ewigen Wiederentdeckung

Frankfurt feiert Bruno Gironcoli in eleganter Aufstellung. Eine Stunde entfernt zeigt man die Alexanderplatz-Turm-Architekten als Künstler – Haus Rucker & Co. Und in Wien staunt man wieder vor Heinz Frank.
Frankfurt feiert Bruno Gironcoli in eleganter Aufstellung. Eine Stunde entfernt zeigt man die Alexanderplatz-Turm-Architekten als Künstler – Haus Rucker & Co. Und in Wien staunt man wieder vor Heinz Frank.(c) Schirn 2019/Hans Christian Krass
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Frankfurt feiert Bruno Gironcoli in eleganter Aufstellung. Eine Stunde entfernt zeigt man die Alexanderplatz-Turm-Architekten als Künstler – Haus Rucker & Co. Und in Wien staunt man - in der Kunsthalle am Karlsplatz - wieder vor Heinz Frank.

Manchmal kommt einem vor, dass nur Künstlerinnen spät entdeckt werden bzw. lang um Anerkennung ringen. Soll man beruhigt sein, wenn man merkt, dass das auch die Herren Kollegen trifft? Vor allem, wenn sie aus Österreich kommen, haben sie es international oft recht schwer, außer sie heißen Franz West. Was an mehreren Faktoren liegt, u. a. an der kleinen Sammler- und der einzelkämpferischen Galerienszene. Bei Bruno Gironcoli liegt es an der schieren Größe der Skulpturen. Jede Ausstellung des 2010 verstorbenen Bildhauers birgt enorme Herausforderungen. Denen sich zurzeit die Schirn-Kunsthalle in Frankfurt stellt.

Tatsächlich, bestätigt Kuratorin Martina Weinhart, sei die Transportlogistik das „Kernproblem“ der fehlenden internationalen Präsenz dieser gigantischen Sci-Fi-Skulpturen, gern als „Riesenspielzeug“ beschrieben. Gemeinsam mit Bettina Busse vom Nachlass habe sie also gesucht und gesucht, bis sie Werke fand, die „durch zwei Türen und in einen Aufzug gehen“. Fünf aus der späten „Prototypen“-Serie sind es geworden. Weinhart ist selig. Denn gerade am Sci-Fi-Charakter, findet sie, könne man heute wieder neu anknüpfen. „Das Hybride, die Bionik, all diese Anspielungen hat er sehr früh gemacht. Da fantasiert ein junges Publikum etwas Neues hinein.“

Auch die Kombinationen, die heute zum Teil politisch völlig unkorrekt wirken – Babies, Vulvas, Weinfässer, religiöse Symbolik: „Gironcoli macht alles, was man nicht macht – das ist Punk“, meint Weinhart. Das Label „Wiederentdeckung“ ist Gironcoli aufgrund der Verknappung der Ausstellungsmöglichkeiten also sozusagen aufs „sensationelle“ (Weinhart) Werk geschrieben. „Diese Wiederentdeckungen mögen für Österreich langweilig sein. Aber in Deutschland kennt ihn tatsächlich keiner, außer älteren Journalisten und Künstlern.“

Zwischen Kunst und Architektur

Ebenfalls eine Entdeckung in Deutschland ist zurzeit die künstlerische Seite der Architekten, die gerade das erste neue Hochhaus am Alexanderplatz hochziehen, Ortner & Ortner. Als Gruppe Haus Rucker & Co. gemeinsam mit Günter Zamp Kelp und Klaus Pinter war man in den 1970er- und 1980er-Jahren unterwegs, das „Bewusstsein zu erweitern“, „Mind Expander“ hieß ihr erstes Projekt 1967 und bestand aus zwei Sitzschalen, die von einem helmartigen Ballon überwölbt waren. Diese damals in der Luft liegenden Sci-Fi-Utopien beeinflussten auch Gironcoli. Nur eine Stunde entfernt von Frankfurt ist jetzt im Kunstverein Mannheim eine Retrospektive der Werke von Haus Rucker & Co. für den öffentlichen Raum zu sehen. Auch eine neue Installation hat man gemacht: In der Raummitte hängt der „Diffuser“, ein zufällig durchlöchertes Rundzelt aus Erste-Hilfe-Folien, unter das der Besucher sich setzen kann. In Gold-Silber natürlich, wie bei Gironcoli.

„The Austrian Phenomenon“ wurde international dieser experimentelle, zugleich spielerische Zugang zwischen Kunst und Architektur genannt (in Peter Cooks Buch „Experimental Architecture” 1970). Dazu zählten u. a. Hans Hollein, Walter Pichler – und Heinz Frank, ebenfalls ein Bildhauer, der der „Wiederentdeckung“ nicht zu entkommen scheint, sogar im eigenen Land. Als Architekt und Elektrotechniker ausgebildet, macht er hinreißende Raum-Stillleben, die, wie oft in Wien, zwischen Humor und Existenzialismus balancieren. „Alles Selbstporträts“, sagte er bei der Pressekonferenz in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz. Was sonst. Und wie zum Beweis dafür zog er eine Lade aus einem selbst entworfenen Tischchen mit faltbaren Beinen – und tatsächlich, da hat er sich gezeichnet, mit spitzer Nase.

Eine Lemurenmaske flattert im Wind

Aber auch die Mann-Frau-Paravents, die mit Maske obendrüber an archaische Kultfiguren erinnern, oder die auf alten Teppichen arrangierten Szenen aus Dingen, die hier mit leichter Hand zur Skulptur geworden sind, lassen an vieles denken, nur nicht daran, dass ihr Schöpfer volle 80 Jahre alt ist. Ein Zentrum ist eine vergleichsweise mächtige Skulptur, die wie die Karikatur der Wiener Postmoderne daherkommt – der Aufbau könnte von Hans Hollein fürs Haas-Haus sein, aber von ihr flattert eine Franz-West'sche Lemurenmaske. Nur ein schauderbares Fähnchen im Wind. Einen größeren Sprung zur Seite innerhalb einer Generation, von Gironcoli zu Frank, kann man in der österreichischen Kunstgeschichte nicht machen. Wir empfehlen das nächste Mal also Frank in der Schirn. Ist auch viel leichter zu transportieren.

Alle drei Ausstellungen laufen bis 12. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2019)

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