Viele bunte Pompons

„Untitled“ von 1965 von Bice Lazzari findet man bei Richard Saltoun, der der Künstlerin den ganzen Stand widmet.
„Untitled“ von 1965 von Bice Lazzari findet man bei Richard Saltoun, der der Künstlerin den ganzen Stand widmet.Richard Saltoun Gallery
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Auf der Londoner Kunstmesse Masterpiece wird der Stilmix zelebriert. Hier findet man Kunst jedes Genres und jeder Epoche. Sogar ein Motorboot ist dabei.

Bunte, riesige Pompons aus Stoff versetzen die Besucher der diesjährigen Sommermesse Masterpiece im Royal Hospital Chelsea in London gleich beim Eingang in eine fröhliche Stimmung. Die Installation mit den bei Cheerleaderinnen beliebten Tanzwedeln stammt von der britischen Künstlerin Phyllida Barlow, die von Hauser & Wirth vertreten wird. Sie vertrat 2017 Großbritannien bei der Biennale von Venedig und hatte heuer eine viel beachtete Einzelausstellung in der Royal Academy of Arts. Gute Stimmung der Besucher kann die Messe gut brauchen. Denn sie feiert ihre zehnte Ausgabe inmitten politischer Unsicherheit, bedingt durch die Suche nach einer Nachfolge für Premierministerin May. Das sind nicht die besten Voraussetzungen für unbeschwerten Kunstkauf.

Es war schon zuvor für das Team der Masterpiece ein von Unsicherheiten geprägtes Jahr. Denn zum Jahreswechsel schlitterte die Art-Basel-Mutter MCH Group, die 2017 die Masterpiece übernommen hatte, in eine finanzielle Krise. Im Zuge der Restrukturierungen hat sich die Messe entschieden, die jüngsten Zukäufe und Beteiligungen, darunter die Art Düsseldorf und die India Art Fair, wieder abzustoßen. Die Masterpiece ist die einzige der Neuakquisitionen, die das Einsparungsprogramm überlebt hat.

Die Messe selbst hat sich jedenfalls zum Jubiläum herausgeputzt. 156 Aussteller, überwiegend aus Europa, bieten einfach alles, was an edlen Dingen sammelbar ist: Kunst quer durch alle Genres und Epochen, Schmuck, Uhren, Möbel Teppiche, Kunsthandwerk, Preziosen und sogar ein Motorboot. Hier wird der Stilmix zelebriert.

Das Modewort der Kunstwelt dafür ist „Cross-Collecting“. Hier stehen die Experten für britische Kunst wie die Londoner Händler Christopher Kingzett und Pangolin, der Silberspezialist S.J. Shrubsole aus New York neben dem Galeristenschwergewicht Hauser & Wirth.

Letzterer hat Arbeiten von Alexander Calder, Eduardo Chillida, Luchita Hurtado, Pablo Picasso und Anna Maria Maiolino auf dem Stand. Schon zu Beginn gab es zahlreiche Verkäufe, darunter Hurtados abstraktes Gemälde „Vertigo“. Die Installation von Phyllida Barlow ist übrigens auch käuflich. Wer einzelne Pompons möchte, bekommt diese für zwischen 35.000 und 65.000 Pfund. Die Messe hat die Aussteller dazu angehalten, Preise neben die Kunstwerke zu hängen. Das hat zum ersten Mal auch Hauser & Wirth gemacht – allerdings nur bis 100.000 Pfund. Alles darüber ist auf Anfrage.

Cross-Selling. Ein Meister des Cross-Sellings ist Axel Vervoordt. Er kombiniert auf seinem Stand Möbel des gefeierten brasilianischen Designers José Zanine Caldas mit antiken Fundstücken. Zu den Hinguckern gehört ein drei Meter langer Tisch von Caldas aus dem Jahr 1979, mit prismaförmigen Tischbeinen. Wer einen kleineren Couchtisch bevorzugt, der nicht minder spektakulär ist, könnte sich für „Malcom Hex“ interessieren. Der Messingtisch wurde von den kalifornischen Zwillingen The Haas Brothers entworfen und besticht durch seine ungewöhnliche Form eines Hexagons.

Zu den Sammlern der The Haas Brothers gehören übrigens Stars wie Leonardo DiCaprio, „Spider Man“-Darsteller Tobey Maguire und Lady Gaga. Zu finden ist der Tisch beim New Yorker Designspezialisten R & Company für 125.000 Dollar.

Der Londoner Galerist Richard Saltoun gibt heuer sein Debüt auf der Masterpiece mit einem Solostand, den er Bice Lazzari widmet. Die italienische Künstlerin, die einen wichtigen Beitrag zur abstrakten Malerei und dem Minimalismus geliefert hat, ist über ihr Heimatland hinaus kaum bekannt. Die Präsentation ihrer Arbeiten ist Teil des Programms der Galerie zur Förderung von Künstlerinnen. So zeigt Saltoun zwölf Monate lang nur weibliche Kunst.

Keramiken und Porzellan scheinen wieder in Mode zu sein, sind sie doch gleich auf mehreren Ständen präsent. Gerade für den Cross-Collecting-Ansatz ist sie gut geeignet, weil sie alle Epochen und Kulturen repräsentieren. Der Londoner Händler Adrian Sassoon hat die größte Auswahl zu bieten: Er zeigt zeitgenössische Arbeiten von Andrew Wick und Kate Malone ebenso wie 100 Einzelteile französischen Sèvres-Porzellans aus dem 18. Jahrhundert. Aus Terrakotta wiederum ist ein Rhyton (Trinkgefäß) in Form eines Zebubullen. Es stammt aus Amlash, von ca. 1000 v. Chr., zu einer Zeit, in der im Iran der Weinanbau kultiviert wurde. Es wurde wohl damit Wein ausgeschenkt. Kostenpunkt: 98.000 Pfund.

Um die Bandbreite der Messe zu verdeutlichen, sei noch Banksys „Kissing Coppers“ erwähnt. Es stammt von der Hauswand eines Pubs in Brighton. Der Gastwirt entschied sich 2011, das Werk zu verkaufen, um das Pub renovieren zu lassen. Jetzt steht es auf der Masterpiece wieder zum Verkauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2019)

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