Architektur: Erneuerer, Vollender?

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Ein Kongress zu Ehren von Raimund Abraham kam zu keiner einhelligen Einschätzung. Abraham galt nie als bequem, und er hat sich zeitlebens bemüht, in dieser Hinsicht keine Zweifel aufkommen zu lassen.

So viel Architektenprominenz finde man nicht einmal bei der Biennale in Venedig in einem Raum, ließen die Veranstalter des sonntäglichen Architekturkongresses zum Gedenken an den im März dieses Jahres in Los Angeles bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Architekten Raimund Abraham verlauten. Das MAK und die Universität für angewandte Kunst hatten Vito Acconci, Peter Eisenman, Thom Mayne, Eric Owen Moss, Peter Noever, Wolf D.Prix, Lebbeus Woods sowie die Filmemacher Peter Kubelka und Jonas Mekas eingeladen, Prinzipielles und Anekdotisches zur Figur ihres Kollegen zu erzählen.

Die Dominanz amerikanischer Architekten am Podium verdankt sich Abrahams Biografie. In den Sechzigerjahren war er einer der jungen Wilden der Wiener Architekturszene, Anfang der 70er übersiedelte er in die USA und unterrichtete dort bis zuletzt vor allem in New York an den renommiertesten Architekturschulen. Der bekannteste unter seinen wenigen ausgeführten Bauten ist der des Österreichischen Kulturinstituts in New York, das Kenneth Frampton in seiner Laudatio als „das signifikanteste Beispiel moderner Architektur in New York seit dem Seagram Building und dem Guggenheim Museum“ bezeichnete.

Zeitlebens unbequem

Abraham galt nie als bequem, und er hat sich zeitlebens bemüht, in dieser Hinsicht keine Zweifel aufkommen zu lassen. Anlässe, die er unter mehr oder weniger deutlichem Ausdruck seines Missfallens verließ – nicht fluchtartig, sondern in der Überzeugung, dass seine Abwesenheit den Einsturz irgendeines aus seiner Sicht verlogenen Gedankengebäudes bewirken würde – fanden sich zahlreich in den Erzählungen seiner Weggefährten. In Erinnerung wird seinen Studenten auch die Geschichte der Kollegin bleiben, die er nach der Präsentation ihres Projekts um ein Glas Wasser schickt: Als sie zurückkommt, hat Abraham ihr kleines Holzmodell angezündet. Dass sich hinter dieser autoritären Fassade ein scheuer, sensibler und im Grunde ängstlicher Charakter verbarg, zeigten am besten die Filmaufnahmen des Avantgarde-Filmers Jonas Mekas, kurze Szenen von den Siebzigerjahren bis in die Gegenwart.

Sehnsucht nach Verweigerung

Ein Hauch von Sehnsucht nach einer Zeit, als das Verweigern noch etwas gegolten hatte, lag über der ganzen Veranstaltung. Gleich zu Beginn hatte Peter Noever das alte Feindbild der „seligen Ignoranz Österreichs gegenüber allem Experimentellen“ beschworen, dem sich eine heroische Generation der Verweigerer bis heute zu widersetzen versuche. Vito Acconci hielt dem entgegen, dass uns die Grundhaltung des Verweigerns und des Widerstands am Lernen hindern würde. Tatsächlich hat Abrahams Werk sich über die Jahre kaum verändert, was Wolf D.Prix zur Bemerkung veranlasste, Abraham sei als Vollender, aber nicht als Erneuerer ein großer Architekt gewesen. Damit sprach er dem Werk die Relevanz für die aktuelle Architekturentwicklung ab.

Spätestens da hätte der Geehrte die Veranstaltung wohl verlassen. Das im Programm angekündigte politische „Plädoyer für zeitgenössische Architektur“ hätte er trotzdem nicht versäumt: Bundeskanzler Werner Faymann sagte kurzfristig ab.

Christian Kühn, a.o. Univ.-Prof., ist Studiendekan für Architektur an der TU Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2010)

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