Museum in Los Angeles präsentiert Lebenswerk Peter Noevers

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Symbolbild(c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Dem nach Vorwürfen gegen seine Führung 2011 zurückgetretenen Ex-Direktor des Wiener MAK wurde eine Hommage ausgerichtet. Gesamtschau zeigt alle Facetten Noevers. Kontroverse ist und bleibt Noevers Lebenselixier.

Funken stieben in der Nacht, Schweißer legen letzte Hand an die gleißend schimmernde Edelstahlskulptur. Ein Kran hievt Schädelteile von „Mrs. Mao“, einer 800-Tonnen-Skulptur der Gao-Brüder, vom Sattelschlepper auf das blank polierte Haupt des russischen Revolutionsführers Lenin. Es erhält eine „Krone“: die Witwe Mao Tsetungs, den Kopf der „Viererbande“. An der La Brea Avenue, einer Durchzugsschneise des Molochs Los Angeles, gesäumt von Palmen und FastFood-Restaurants, erhebt sich die wuchtige Kopfgeburt des chinesischen Künstlerduos an der Front des Ace Museum wie ein ironisches Vexierbild des realen Sozialismus in der Hollywood-Metropole.

Zeitgenössische Kunst mit einem Hauch Provokation – das ist nach dem Geschmack des Spiritus Rector des Coups. Peter Noever hatte das Werk bei einer China-Reise entdeckt und seine kalifornischen Freunde so lange drangsaliert, bis sie ihm den Wunsch erfüllten – allerdings ohne sein Wissen als Überraschung im Rahmen einer Retrospektive über sein Wirken als MAK-Direktor.
Unter dem Titel „The (Secret) Return of No Ever“ inszenierten Eric Owen Moss und sein Team, unter Mitwirkung eines Beirats von Stararchitekten von Frank Gehry bis Wolf Prix, eine geheime Kommandoaktion zur Rehabilitierung des in Wien in Ungnade gefallenen, aber international nach wie vor umtriebigen Kunst-Zampanos.

Videos von Abraham, Kubelka, West

Noch vor der offiziellen Eröffnung des Ace-Museum-Jahrs organisierte Eric Owen Moss, Rektor der Architektur-Universität Sci-Arc, hinter Noevers Rücken eine Hommage, die bis Ende Dezember läuft. Unter einer Kakophonie von Streicher-Dissonanzen und chinesischen Weisen führen Videoschnipsel künstlerischer Weggefährten von Raimund Abraham über Peter Kubelka bis Franz West über die Auffahrtsrampe eines früheren Autohauses in die Ausstellungshalle. Auf einer fußballfeldgroßen Fläche lässt die Schau die Ära Noever Revue passieren.

Bis zum jähen Ende in der „Mama-Affäre“ Anfang 2011 umspannte die Ägide des am längsten im Amt befindlichen Museumsdirektors der Zweiten Republik ein Vierteljahrhundert. Der Philosoph Herbert Lachmeyer apostrophierte ihn als „Monsieur MAK“, im Rückblick wäre „Mister MAK“ richtiger gewesen. Denn in den USA erwarb er sich, Anfangs belächelt und angefeindet, Meriten als Wiederentdecker des österreichischen Emigranten Rudolf Schindler, eines Neuerers der Architektur in Südkalifornien, und mit der Gründung einer Dependance in Los Angeles. Der Brückenkopf an der US-Westküste hat zur internationalen Reputation beigetragen.

Die Gesamtschau zeigt alle Facetten Noevers: generationenübergreifend bei der Zusammenführung von Margarete Schütte-Lihotzky, der Erfinderin der „Frankfurter Küche“, und Zaha Hadid; glamourös bei Donald Judd, Dennis Hopper, Jenny Holzer und der schließlich zurückgezogenen Helmut-Lang-Ausstellung; grenzüberschreitend und anstoßerregend wie bei der Nordkorea-Schau, tabubrechend wie bei Otto Mühl.
Die Kontroverse ist und bleibt Noevers Lebenselixier. „Man kann das Publikum nicht immer glücklich machen.“ Bei einem Vortrag in Los Angeles, das ihm als Gegenpol der Wiener Selbstgefälligkeit und Kleinkariertheit gilt, formulierte er sein Credo, das sich wie ein Aphorismus Oscar Wildes ausnimmt: „Das größte Risiko für die Kunst ist es, kein Risiko einzugehen.“

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