Literatur: Wenn Frauen töten (lassen)

Literatur Wenn Frauen toeten
Literatur Wenn Frauen toeten(c) suhrkamp nova
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Die Bücher zweier hochgelobter Krimiautorinnen bringen momentan Leben in das höchst männerdominierte Genre. Die beiden Krimis könnten unterschiedlicher nicht sein.

Was sind eigentlich Frauenkrimis? Von Frauen für Frauen geschriebene Schmöker mit Frauen als Hauptdarstellerinnen? Krimis mit mehr Psychologie und Gefühl oder Spannungsbücher mit dem Motto „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“? Die Antwort: Es ist egal. Denn in den vergangenen Wochen sind die Kriminalromane von zwei Autorinnen erschienen, denen man vor allem einen Gefallen tun sollte: sie nicht in eine Schublade zu stecken. Tatsächlich könnten die US-Autorin Sara Gran und ihre britische Kollegin Cathi Unsworth nicht unterschiedlicher sein. Gran ist eine Meisterin des unkonventionellen Detektivromans, während Unsworth dem klassischen Spannungsroman neue Seiten abgewinnt.

Gran lässt mit „Das Ende der Welt“ bereits zum zweiten Mal Claire DeWitt, die angeblich beste Detektivin der Welt, ermitteln. Ihr Vorgängerroman „Die Stadt der Toten“ wurde mit dem Deutschen Krimi Preis 2013 geehrt, das aktuelle Buch führt die renommierte KrimiZeit-Bestenliste im Mai an. Mit herkömmlichen Ermittlungen hat DeWitt nichts am Hut. Als eine Art Detektivbibel dient ihr „Détection“, ein unverständliches Handbuch des legendären französischen Detektivs Jacques Silette. „Der Detektiv glaubt, einen Mord aufzuklären oder das Verschwinden eines Mädchens, aber in Wahrheit ist er einer vollkommen anderen Sache auf der Spur, einer Sache, die er selbst nicht ganz versteht“, heißt es darin etwa. Als Leitfaden für Ermittlungen ist das ziemlich unbrauchbar. DeWitt vertraut zudem auf Intuition, Träume – und Drogen. Das liest sich angesichts der durch unzählige TV-Serien (allen voran CSI) geprägten Wissenschaftsgläubigkeit erfrischend anders.


New Orleans fehlt. Genau da beginnt aber auch das Problem: Schon der Schauplatzwechsel von New Orleans nach San Francisco wirkt sich auf die Geschichte abträglich aus. Das von Hurrikan Katrina verwüstete und schwer gezeichnete New Orleans war der eigentliche Hauptdarsteller von „Die Stadt der Toten“. All die offenen Wunden und schlecht verheilten Narben der Stadt symbolisierten wohl nicht nur zufällig auch die inneren Leiden der Detektivin. Dass DeWitt im aktuellen Buch nun angesichts eines sehr persönlichen Falls – ihr Exfreund Paul wurde erschossen – den Halt verliert und ihren Kokainkonsum auf lebensgefährliche Ausmaße steigert, mag man noch verstehen.

Lesen will man das ab einem gewissen Zeitpunkt aber nur mehr bedingt. Was im ersten Band so locker herüberkam, wirkt nun angestrengt. Die Ermittlungen plätschern dahin und geraten irgendwann komplett in den Hintergrund. DeWitt ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Bei Gran scheiden sich zweifellos die Geister: Die meisten werden sie gnadenlos lieben oder hassen.

Leichter macht es einem da schon Cathi Unsworth, deren Buch „Opfer“ – das es ebenfalls auf die KrimiZeit-Liste geschafft hat – den Leser in das fiktive ostenglische Seebad Ernemouth entführt. Weniger innovativ, aber äußerst gekonnt erzählt die Autorin auf zwei Zeitebenen von den Geschehnissen rund um einen vermeintlichen Ritualmord in den 1980er-Jahren und dessen Enträtselung knapp 20 Jahre später. Der deutsche Titel (Englisch „Weirdo“) ist dabei ein wenig irreführend, denn Frauen sind in diesem Buch beides: Opfer und Täter.


Musik als Rettung. Vieles ist in „Opfer“ nicht so, wie es scheint. Schicht für Schicht kratzt Unsworth der nur vordergründig idyllischen Stadt ihren Lack ab. Was bleibt, ist wenig glanzvoll. Ihre spannende Geschichte schildert aber auch die Qualen des Erwachsenwerdens. Unsworth hat mit Ernemouth einen Ort geschaffen, der für viele Jugendliche die Hölle auf Erden sein muss. Die Musik wird da schon einmal zum letzten Rettungsanker. Kenner werden Bands, Songs und Plattencover der Zeit entschlüsseln können, die oft namentlich nicht genannt werden. Unsworth kann und will ihre Vergangenheit als Musikredakteurin („Sounds“, „Melody Maker“) nicht verleugnen. Das macht „Opfer“ atmosphärisch dicht und verleiht ihm einen eigenen Soundtrack.

Neu Erschienen

Sara Gran
»Das Ende der Welt«
übersetzt von:
Eva Bonné
Droemer
367 Seiten
15,50 Euro

Cathi Unsworth
»Opfer«
übersetzt von:
Hannes Meyer
Suhrkamp nova
384 Seiten
15,50 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)

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