Moderatorin Kristiane Backer: Die Konvertierte

Backer
Backer(c) List Verlag
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Was bringt eine erfolgreiche Moderatorin dazu, die Karriere aufzugeben und zum Islam zu konvertieren? Bei Kristiane Backer, einem der ersten MTV-Aushängeschilder, war es die Liebe zu einem Muslim.

Schon bei Cat Stevens haben das damals viele nicht verstanden. Dass ein Popstar, weltberühmt, von der westlichen Welt hofiert, zum Islam übertritt. Seine Gitarre verdammt, weil sie als zu „westliches“ Instrument seiner religiösen Einstellung widerspricht (später sah er das dann nicht mehr so eng), sich ganz dem Studium seines neu gefundenen Glaubens widmet. Sich einen langen Bart wachsen lässt, einen neuen Namen verpasst, Yusuf Islam.

Kristiane Backer heißt heute immer noch Kristiane Backer, aber ihr Lebensweg war, gut 20 Jahre nach Stevens, ein ähnlicher. Nur vielleicht noch extremer. Als Frau, noch dazu als Karrierefrau, trat die davor nicht sonderlich gläubige Protestantin 1995 zum Islam über.

Die erste Deutsche bei MTV. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie so etwas wie eine Vorreiterin: Gehörte die Hamburgerin doch zur ersten Generation der MTV-Moderatoren, die den europäischen Ableger des Musiksenders (der damals tatsächlich noch ein Musiksender war) in seinen Anfangsjahren von London aus entscheidend mitprägte. Als erste Deutsche bei MTV moderierte sie ab 1989 jahrelang den Coca Cola Report, die Chartshow European Top 20, ihr Gesicht grinste in ganz Europa aus TV-Geräten und von den Titelseiten diverser Magazine. Bis sie das MTV-Mikro samt Quasi-Starleben gegen den Koran tauschte.

Für einen Mann. Den pakistanischen Cricketstar (und späteren Politiker) Imran Khan, mit dem sie davor schon einige Zeit liiert war. Heimlich, denn als überzeugter und in London und seiner Heimat sehr bekannter Muslim wollte er seine Liaison mit einer Nicht-Muslimin nicht öffentlich machen. Die Liebe zu Khan ging vorüber, dem Islam blieb sie treu. Heute betet Backer, mittlerweile 43, fünfmal am Tag, fastet zu Ramadan, ist gegen Sex vor der Ehe. Kopftuch trägt sie keines. Den Bruch zwischen ihrem alten und neuen Leben hat sie nun in Buchform verarbeitet. „Von MTV nach Mekka. Wie der Islam mein Leben veränderte“, heißt ihre Biografie, und mit einem so plakativen Buchtitel hat sie die Bestsellergarantie vermutlich mitgebucht.

Ganz so radikal, das wird beim Lesen schnell klar, wie der Titel suggerieren mag, war der Bruch dann gar nicht, die Entscheidung keine überhastete. Durch Khan lernte sie nach und nach mehr über die Lehren Mohammeds. Khans Überzeugungen, wie „Gott zu verehren und ihm zu dienen, das ist der Sinn des Lebens“, nahm sie, die eine gewisse Sinnlosigkeit in ihrem Leben verspürte, dankbar auf. Sie war zwar auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, wie sie immer wieder in ihren (simpel formulierten und zügig lesbaren) Erinnerungen schreibt, aber auf dem Tiefpunkt ihres Lebens. Mit der „bunten, schrillen, lauten Welt“ der Stars, an der sie gemäß dem MTV-Credo „Work hard, party hard“ exzessiv teilgenommen hatte, konnte sie immer weniger anfangen. Umso weniger, seit sie auf einer Reise durch Pakistan den tiefen Glauben der Bevölkerung miterlebte. Trotz bitterer Armut strahlten diese Menschen dank ihres Glaubens Lebenslust aus, teilten das wenige, das sie hatten, mit Backer. Sie wurde „mit einem Glänzen in den Augen“ empfangen. Nicht die einzige Stelle in ihrer Biografie, die ein wenig verklärt, bisweilen naiv wirkt.

Die Geschlechtertrennung in Pakistan irritierte sie. Dass sie in eigenen Räumen mit Frauen weggesperrt war, während Imran Khan in einem Männerraum Cricket im TV sah, das war schon ungewöhnlich, schreibt sie sinngemäß. Aber dann erzählt ihr Khan, dass die Geschlechtertrennung kein Ausdruck von Unterdrückung, sondern nur zum Schutz der Frauen sei. Und Backer war zufriedengestellt.

Lange Kleider statt Minirock. Nach und nach tauschte sie ihre kurzen gegen längere Röcke, trug geschlossene T-Shirts, was bei MTV „erstmal niemandem auffiel, denn Grunge war gerade modern und lange Kleider sowieso in“. 1995 trat sie schließlich zum Islam über und trennte sich von MTV. Seither, schreibt sie, habe sie den Sinn des Lebens im Glauben gefunden. Nach Khan war sie noch einmal mit einem marokkanischen Journalisten, ebenfalls ein Muslim, liiert, auch diese Beziehung scheiterte. Heute lebt Backer als Single in London, wo sie als ausgebildete Homöopathin arbeitet und für den „Travel Channel“ eine Reisesendung moderiert. Verschafft hat ihr den Job Schauspielerin Liz Hurley, die sie noch von früher kennt. Von ihrer Zeit bei MTV. Ganz vergessen hat sie ihr altes Leben also nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2009)

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