Frankfurter Buchmesse: Meinungsfreiheit und digitale Kunst

A woman sorts books at a Diogenes Verlag booth prior to the opening of the book fair in Frankfurt
A woman sorts books at a Diogenes Verlag booth prior to the opening of the book fair in Frankfurt(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Der gemeinsame Sprachraum Niederlande und Flandern ist heuer Ehrengast der weltgrößten Bücherschau. Erwartet werden 7000 Aussteller aus 100 Ländern.

In Frankfurt wird am Dienstag die internationale Buchmesse eröffnet. Zu der Feier werden die Könige Philippe von Belgien und Willem-Alexander der Niederlande anreisen. Der gemeinsame Sprachraum Niederlande und Flandern ist dieses Jahr Ehrengast der weltgrößten Bücherschau. Zur Frankfurter Buchmesse werden mehr als 7.000 Aussteller aus rund 100 Ländern erwartet. Auf und außerhalb des Messegeländes wird es von Mittwoch bis Sonntag rund 4.000 Veranstaltungen mit etwa 600 Autoren geben. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit rund 300.000 Besuchern.

Der Kampf um Meinungsfreiheit und die digitale Vermarktung von Kunst sind Hauptthemen der 68. FrankfurterBuchmesse. Die Meinungs- und Publikationsfreiheit sei weltweit bedroht, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, am Dienstag vor Journalisten. "Die Freiheit des Wortes ist für uns ein Menschenrecht und nicht verhandelbar."

"Betroffen macht uns Situation in der Türkei"

"Besonders betroffen macht uns die Situation in der Türkei", sagte Riethmüller. "Doch die Politik schweigt, schaut zu und handelt nicht." In einer Online-Petition (#FreeWordsTurkey) werden Bundesregierung und EU-Kommission aufgefordert, die Meinungs- und Pressefreiheit kompromisslos zu verteidigen. Die vor einigen Wochen gestartete Initiative von Börsenverein und PEN-Zentrum Deutschland wurde bisher von rund 80.000 Menschen unterzeichnet.

"Literatur kann helfen, die Welt zu sortieren", sagte der Direktor der FrankfurterBuchmesse, Juergen Boos. "Und die Buchmesse hilft Autoren und Verlagen bei dieser Sortierarbeit."

Konferenz zum Thema Digitalisierung der Kunst

Neu ist in diesem Jahr der Schwerpunkt "The Arts+", eine Messe innerhalb der Messe und eine Konferenz zum Thema Digitalisierung der Kunst. "Nach der Musik- und Filmindustrie und der Verlagsbranche erreicht die Digitalisierung nun langsam aber sicher auch den Kunst- und Kulturbetrieb", erklären die Organisatoren.

Zum Auftakt von "The Arts+" lud die Messe den britischen Maler David Hockney ein. Er brachte Bilder mit, die er auf einem iPad gemalt hat. Tablet-Computer seien "ein wunderbares neues Medium" für Künstler, sagte der 79-Jährige. "Alles, was man braucht, ist da per Fingertipp." Man brauche keinen Pinsel und kein Wasser zu holen, Farben und Leinwände gingen nie aus. Das neue Medium habe viele Vorteile - und einen Nachteil: "Man muss nie aufhören."

Sonderwagen der niederländischen Bahn

In einem Sonderwagen der niederländischen Bahn fuhren am Dienstagmorgen mehrere Dutzend Autoren, Verleger und die Kulturministerin Jet Bussemaker aus Amsterdam nach Frankfurt ab. Zur Reisegesellschaft gehörten unter anderem die Bestsellerautoren Leon de Winter, Jessica Durlacher, Connie Palmen und Tommy Wieringa.

Der Gastlandauftritt steht unter dem Motto "Dies ist, was wir teilen". Zur Eröffnungsfeier am Dienstagabend wurden EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sowie die Könige Philippe von Belgien und Willem-Alexander der Niederlande erwartet.

Eine Auswahl wichtiger Autoren aus den Gastländern

Hugo Claus (1929-2008): Der große Roman-Autor und Dichter Flanderns der Nachkriegszeit. Sein Meisterwerk "Der Kummer Belgiens" erzählt die Geschichte des Lümmels Louis im Zweiten Weltkrieg. Ein großer europäischer Roman und ein Muss für alle, die Flandern wirklich verstehen wollen.

Saskia De Coster (1976): Sonderbare Familien und skurrile Geschichten sind das Markenzeichen der eigensinnigen Belgierin. Mit zwölf Jahren gewann sie ihren ersten Preis, viele weitere folgten. Mit ihrem Roman "Wir und ich" schrieb sie sich an die Spitze der niederländischsprachigen Literatur.

Adriaan van Dis (1946): Der Journalist und Autor schreibt scheinbar leicht über schwere Themen wie Krieg oder Rassismus. Er wird inspiriert von seinen Reisen und seiner Biografie - seine Eltern stammen aus Indonesien, einer früheren niederländischen Kolonie. Sehr persönlich schreibt er in seinem jüngsten Roman über "Das verborgene Leben" seiner Mutter.

Arnon Grünberg (1971): Der Erfolgsautor der Niederlande lebt in New York. Er ist ein Vielschreiber mit einer täglichen Kolumne auf der Titelseite der Tageszeitung "Volkskrant". Sein deutsch-jüdisches Elternhaus und das Trauma des Holocausts prägten ihn stark.

Hella S. Haasse (1918-2011): Die große Dame der niederländischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hinterließ ein großes Oeuvre von Romanen, Theaterstücken und Kabaretttexten. Immer wieder versuchte Haasse, die Geschichte zu erklären. Dabei schöpfte sie auch aus den Erfahrungen ihrer Kindheit in Indonesien, einer früheren niederländischen Kolonie.

A.F.Th. van der Heijden (1951): A.F.Th. nennt man ihn in seiner niederländischen Heimat kurz und respektvoll. Mit spannenden und raffinierten Romanen wurde er zum Chronisten der Nachkriegszeit. Sehr persönlich und ergreifend sind "Tonio", ein Roman über seinen jung gestorbenen Sohn, und "Muttermale".

Tom Lanoye (1958): Er ist ein literarischer Alleskönner und in seiner flämischen Heimat auch als Dramatiker und Kolumnist geschätzt. Seine "Monstertrilogie" gilt als Meister- und Standardwerk der flämischen Literatur. Darin beschreibt Lanoye den Untergang einer Familie vor der Kulisse eines ebenfalls zerfallenden Belgiens.

Margriet de Moor (1941): Die ausgebildete Konzertpianistin und Autorin dringt in ihren Romanen und Erzählungen tief ein in die Psyche ihrer Personen. Sehr einfühlsam und behutsam zieht de Moor den Leser in eine packende Geschichte hinein.

Charlotte Mutsaers (1942): Sie malt und schreibt und das am liebsten gegen alle Konventionen. Gut oder böse, Täter oder Opfer, Liebe oder Hass? In Mutsaers aberwitzigen Geschichten wie dem Roman "Kutschers Herbst" ist nichts so, wie es erscheint. Für ihr Lebenswerk erhielt sie die wichtigste niederländische Auszeichnung, den P.C.Hooft-Preis.

Griet Op De Beeck (1973): Die Journalistin und Dramaturgin debütierte erst 2013 mit "Viele Himmel über dem siebten". Es wurde ein Bestseller, wie ein Jahr später der zweite "Komm her und lass dich küssen". Die Flämin schreibt sehr persönlich über gebrochene Lebensläufe, Ängste und die Liebe.

Connie Palmen (1955): Viele ihrer Romane beruhen auf persönlichen Erlebnissen und vor allem ihren Beziehungen. Diese sogenannte Autobiofiktion ist Geschmacksache. Das neueste Beziehungsdrama "Du sagst es" ist ein überraschender und faszinierender Blick auf das berühmteste Liebespaar der modernen Literatur.

Ilja Leonard Pfeijffer (1968): Er wurde zunächst als Lyriker und Kolumnist bekannt. Für seine treffenden, oft komischen Beobachtungen von skurrilen Begebenheiten und Personen in seiner Wahlheimat Italien wird Pfeijffer geschätzt. Nun gelang ihm mit "Das schönste Mädchen von Genua" ein großer Erfolg.

Dimitri Verhulst (1972): Mit dem komischen und zugleich dunklen Rückblick auf seine schwere Jugend feierte er 2006 mit "Die Beschissenheit der Dinge" einen Riesenerfolg. Der Flame schreibt kompromisslos mit großer Sprachgewalt, dass einem das Lachen oft im Halse stecken bleibt.

Tommy Wieringa (1967): Der komische Entwicklungsroman "Joe Speedboot" war 2005 sein Durchbruch. Wieringa erzählt auch extreme Lebensgeschichten sanft und mit viel hintergründigem Humor. Einfühlsam geschrieben ist "Dies sind die Namen", ein Roman zur aktuellen Migrationsfrage.

(APA/dpa)

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