Willkommen im Garten des Teufels

James Carlos Blake fasziniert das Heldentum von Outlaws.
James Carlos Blake fasziniert das Heldentum von Outlaws.(c) Anne Maura Wahl
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James Carlos Blake bestätigt mit dem Gangster-Epos „Red Grass River“ seinen Ruf als Chronist der gewalttätigen US-Geschichte. Sein Schauplatz: die Sümpfe der Everglades in Florida.

Falls sich der Teufel je einen Garten angelegt hat, dann die Everglades.“ Mit diesem Satz beginnt James Carlos Blakes Gangster-Epos „Red Grass River“. „Es heißt, dass es kaum einen anderen Ort gibt, an dem man weiter schauen und dabei weniger sehen kann.“ Diese menschenfeindliche Umgebung ist das ideale Rückzugsgebiet für Alkoholschmuggler und Bankräuber John Ashley, der in den 1910er- und 1920er-Jahren zu einer Outlawlegende wurde – noch ehe Bonnie und Clyde oder John Dillinger für Schlagzeilen sorgten.

Der Autor ist Spezialist für die gewalttätigen Aspekte der US-Geschichte. „Red Grass River“ ist sein drittes Buch, das mit zwei Jahrzehnten Verspätung auf Deutsch übersetzt wurde. „Das Böse im Blut“ widmete sich dem mexikanisch-amerikanischen Krieg in den 1840er-Jahren, die darin beschriebene Grenzregion glich damals dem Vorhof zur Hölle. In „Pistolero“ wiederum versuchte Blake, die Wildwestlegende John Wesley Hardin zu entschlüsseln.

Sein nun vorliegendes Porträt der berüchtigten Ashley-Gang setzt sich erneut mit Männern auseinander, die – diesmal in den Sümpfen Floridas, einem für seine Gesetzlosigkeit berüchtigten Ort – ihre eigenen Regeln aufstellen. Es ist das Revier der sogenannten Crackers, die sich mit dem Fallenstellen und dem Verkauf von Tierfellen sowie dem Schnapsbrennen und Schmuggeln tagtäglich durch ihr großteils karges Leben kämpfen. Auch deshalb werden die anfangs durchaus respektierten, später aber eher gefürchteten Brüder und ihre kriminellen Kumpane zu Legenden.

Lügen und Legenden. Was ist wahr, was ist erdichtet? Das ist schwer zu erkennen. Der Autor macht das auch durch den Liars Club deutlich – eine Gruppe alter Männer, die immer wieder Geschehnisse kommentiert sowie Gerüchte aufkocht und alternative Versionen einwirft. Offenkundig sind hingegen seine Sympathien für die Ashleys. Ihr Gegenspieler, der Sheriff Bobby Baker, ist der eigentlich verkommene Charakter, dem Blake aber zu wenig literarischen Spielraum gewährt. Er bleibt im Vergleich zu dem überlebensgroßen John Ashley eindimensional. Die erbitterte Fehde der beiden Männer wird so nur bedingt spürbar.

Auch das Gangsterleben liest sich mitunter etwas klischeehaft. John Ashley frönt einem sexuell ausschweifenden Lebensstil. Hemmungslos gibt er sich abwechselnd (teilweise auch gleichzeitig) einer blinden Hure und seiner Komplizin, Laura Upthegrove, der „Queen of the Everglades“, hin. Beim Liebesspiel ist er so laut, dass er sich in die Sümpfe zurückziehen muss, um seine Familie nicht zu belästigen.

Blakes Roman ist trotzdem fesselnd. Seine Figuren bleiben haften, wohl auch, weil sie überzeichnet sind. Aber Blake hätte noch mehr erreichen können. Sein Buch ist zeitweise zu chronikal, fädelt blutige Schlägereien und Überfälle aller Art nacheinander auf. Dabei sind es gerade die kleinen historischen Szenen, die dem Autor am besten glücken.

Eindrucksvolle Bilder. Das zeigt sich etwa, wenn Blake über die Straßendecke von Miami schreibt, die aus pulverisiertem Kalkstein bestand, „der im Sommer so stark reflektierte, dass man zu erblinden fürchtete“. Also belegte man die Straßen mit Holzblöcken. Doch als dann der Regen kam, begannen diese aufzuquellen, „und als es dann weiterregnete, sprangen die Blöcke – peng! peng! peng! – aus der Straßendecke hoch, dass es knallte wie Pistolenschüsse [...], zischten in alle möglichen Richtungen, prallten von Fassaden ab, schlugen Fenster ein“.Diese falschen Pistolenschüsse hallen mehr nach als die echten in Blakes Roman.

Neu erschienen

James Carlos Blake
„Red Grass River“


Übersetzt von Stefan Lux,
Liebeskind,

528 Seiten, 24,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2018)

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