Die Bestie ist menschlich

Deb Spera: „Alligatoren“
Deb Spera: „Alligatoren“(c) Harper Collins
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Deb Spera schreibt über starke Frauen und ihre grässlichen Männer. Der Südstaatenroman „Alligatoren“ scheut keine Untiefen.

Schweiß auf der Stirn, Leere im Bauch, zielt Gertrude auf das fette Alligatorenweibchen, das vor ihrer Flinte im Sumpf brütet. Wer vier hungrige Töchter und einen brutalen Alkoholiker daheim hat, kann bei der Speisewahl nicht zimperlich sein. Ein Menschen ist leichter erlegt als ein Alligator, schießt es ihr durch den Kopf, bevor die Flinte losgeht.

Schüsse fallen einige in Deb Speras Roman „Alligatoren“, der im tiefen, wirtschaftlich gebeutelten US-Süden der 1920er spielt. Sie treffen tendenziell keine Tiere. Mit ihnen haben die drei Protagonistinnen – die Plantagenbesitzerin Annie, ihre hellseherische schwarze Haushälterin Oretta und die verarmte Gertrude – weniger zu kämpfen als mit den Männern. Vor einer Kulisse, die so brutal wie bilderbuchhübsch ist, lehnen sich die Frauen gegen Patriarchat, Gewalt und Lügen auf.

Dass sich ihre Wege kreuzen, ist wie (zu) vieles in der Geschichte klar. Den Leser beschleicht früh das Gefühl, einen durchkomponierten Anwärter auf Bestsellerlisten vor sich zu haben. In stimmungsvollen Tableaus werden große Themen wie Sklaverei, Feminismus, Wirtschaftskrise abgearbeitet, garniert mit Gewalt, Gefühl und Perversion. Darunter leidet die Charakterentwicklung. Die Männer dürfen böse sein, mehr nicht. Dass sich „Alligatoren“ wie die perfekte Filmvorlage liest, liegt wohl an Speras Vita. Sie hatte Serien wie „Criminal Minds“ produziert, bevor sie sich an den Romanerstling setzte. Er liest sich mühelos. Nur fehlt diesem tiefen Süden der Tiefgang.


Deb Spera: „Alligatoren“, übersetzt von U. Wasel/K. Timmermann, Harper Collins, 432 S., 22 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2018)

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