Frankfurter Buchmesse grenzt rechte Verlage räumlich ab

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10 10 2018 xmkx Messe Frankfurter Buchmesse 2018 PAvillion von Georgier Frankfurt Hessen Deutsc(c) imago/Patrick Scheiber (Patrick Scheiber/Kegler)
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Nach einem Tumult im vergangenen Jahr hat die Frankfurter Buchmesse rechte Verlage heuer in einen anderen Raum positioniert. Diese fühlen sich dadurch geächtet.

Die Halle 4.1 auf dem Gelände der Frankfurter Buchmesse mündet in eine Sackgasse, an deren Ende der Stand der "Jungen Freiheit" postiert ist. "Wir fühlen uns geächtet", empört sich Dieter Stein, Chefredakteur der Wochenzeitung, die als Sprachrohr des rechten Spektrums gilt. So eine Ausgrenzung habe er seit dem ersten Auftritt seines Verlags 1991 noch nie erlebt. Die Buchmesse hat sich nach dem Skandal im Politiker Jahr, als die Organisatoren bei einem Auftritt von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke hilflos den handgreiflichen Tumulten zusahen, etwas Neues einfallen lassen. Die beiden Verlage Junge Freiheit und Manuscriptum wurden - ähnlich wie bereits auf der Leipziger Buchmesse - räumlich abgegrenzt. Das mache bei Sicherheitsproblemen eine bessere Kontrolle möglich, sagt dazu die Buchmesse, eine Tochter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Die Verlage, die bisher in Frankfurt mit ihren Ständen weit besser platziert waren, sehen sich nun als Opfer. Der AfD-Bundesvorstand sekundiert am Mittwoch und spricht in Berlin von einem "Akt der Zensur", wenn man unbequeme Verlage einfach wegsperre.

Der Umgang mit der neuen Rechten auf der Messe bleibt also schwierig. Lobende Worte für die räumliche Abgrenzung kommen von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich auf der weltgrößten Bücherschau mit einem Stand gegen den Rechtsextremismus engagiert. "Das macht die Messe sicherer", lobt Stefan Lauer von der Stiftung, die einen Dialog mit den Neurechten "auf Augenhöhe" ohnehin für nicht machbar hält.

Tumult bei der Buchmesse

Höcke war im vergangenen Jahr bei der Präsentation des Buches "Mit Linken leben" des rechtsgerichteten Antaios Verlags dabei. Demonstranten protestierten mit Transparenten und Rufen wie "Nazis raus" gegen die Veranstaltung. Höckes Anhänger skandierten "Jeder hasst die Antifa". Die Polizei musste schlichtend eingreifen.

Zu einem gewalttätigen Angriff war es auch am Stand der rechtsgerichteten Wochenzeitung "Junge Freiheit" gekommen. Bei einer Lesung ging ein Zuhörer auf den Verleger des linken Trikont-Musikverlags zu und verletzte ihn mit der Faust an der Lippe, wie eine Messesprecherin bestätigte. Trikont-Chef Achim Bergmann hatte demnach zuvor im Vorbeigehen die Lesung mit einem Kommentar begleitet. Der Verleger ließ sich im Krankenhaus behandeln und erstattete Strafanzeige.

Im vergangenen Jahr war es am Stand der "Jungen Freiheit" bei einer Diskussion zu einem tätlichen Zwischenfall gekommen. Daran war allerdings kein Verlagsmitarbeiter beteiligt. Ohne Vorfälle verlief am Mittwoch der Auftritt von Thilo Sarrazin, der sich auf der Messe  prominent ist. Er stellte die Islam-Thesen seines umstrittenen Bestsellers ("Feindliche Übernahme") im großen Lesezelt vor.

Unweit davon entfernt hat am Vormittag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im neuen "Frankfurt Pavillon" dazu gemahnt, beim Umgang mit den Populisten die allgegenwärtige Erregungsspirale herunterzufahren. Die Darstellung in den Medien erwecke derzeit den Eindruck, als sei Deutschland schon nahezu von denen beherrscht, die die Demokratie zu Fall bringen wollten, kritisiert er bei seinem Messebesuch.

Aus Sicht Steinmeiers erhält der Populismus zu viel Platz in den Medien. Es gebe "eine Normalität, über die wir eigentlich miteinander gar nicht reden". Steinmeier forderte mehr Dialog in der Gesellschaft und den Mut zur "politischen Kontroverse".

AfD-Politiker Höcke kommt auf die Messe

Sehr kontrovers könnte es werden, wenn Höcke am kommenden Freitag wieder auf die Messe kommt. Er will bei Manuscriptum ein neues Gesprächs-Buch vorstellen. Der neurechte Antaios Verlag, der im vergangenen Jahr mit dem Höcke-Auftritt für den Eklat sorgte, ist der Messe ganz ferngeblieben. Dessen Verleger Götz Kubitschek kündigt am Mittwoch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den Verkauf seines Verlags an. Er will als politischer Berater arbeiten.

Buchmesse Frankfurt

Zur weltgrößten Bücherschau, die bis zum kommenden Sonntag zum 70. Mal stattfindet, werden rund 7000 Teilnehmer aus 105 Ländern erwartet. Im vergangenen Jahr kamen fast 300.000 Menschen zur Messe.

Die Berliner Schriftstellerin Inger-Maria Mahlke gewann am Montagabend für ihren Roman "Archipel" den Deutschen Buchpreis 2018. Mit dem Preis wird zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse die beste literarische Neuerscheinung des Jahres in deutscher Sprache prämiert.

Gastland ist heuer Georgien.

(APA/dpa)

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