Schnurren von „Joschi“, Neues zu Mayerling

Alle Jahre wieder: Georg Markus bietet Erstaunliches aus Österreich.

Woher nimmt er nur die Geschichten? Georg Markus ist ein Bienenfleißiger, der uns Jahr für Jahr mit neuen Austriaca erfreut. Von Schauspielern wird erzählt, von Politikern, Habsburgern, aber auch von einer Persönlichkeit, die schon in unserer Zeit zur Legende ward: Josef „Joschi“ Holaubek, der verdienstvolle Wiener Polizeipräsident, der über Jahrzehnte hinweg die kriminelle Szene, den Autoverkehr und alles Sonstige im Auge behielt. Die Festnahme eines verschanzten Schwerkriminellen mit den Worten „Kumm ausse, i bin's, der Präsident“, ist längst zum geflügelten Wortschatz des Wieners geworden. Da gibt's aber auch die Story vom vergötterten Burgschauspieler Werner Krauß, den in seiner Dienstwohnung in der Porzellangasse die vorbeiratternden Automobile nicht schlafen ließen. Also postierte Holaubek zwei Wachleute in der Gasse, die den (damals noch spärlichen) morgendlichen Autoverkehr umleiteten . . .

Ein Volltreffer gelang dem journalistischen Detektiv Markus, als man ihm im März dieses Jahres den bis dato geheimen Nachlass des Johann Loschek (1845 bis 1932) anvertraute. Der war Leibkammerdiener des Kronprinzen Erzherzog Rudolf und in der Nacht vom 29. auf 30. Jänner 1889 im Schloss zu Mayerling anwesend, als der präsumtive Erbe der Macht zunächst seine 17-jährige Geliebte erschoss und sich dann selbst richtete. Loschek schwieg zeitlebens, diktierte aber 1928 seinem Sohn seine Erinnerungen. Damit wird allen unseriösen Spekulationen um das schaurige „Drama von Mayerling“ endgültig der Boden entzogen. Loschek schildert die Ereignisse so, wie es die Geschichtsschreibung längst dokumentiert hat. Nur die verstorbene Kaiserin Zita glaubte zeitlebens felsenfest, dass Rudolf nur durch einen Mordanschlag umkommen konnte, weil ein habsburgischer Prinz nie und nimmer der Sünde der Selbstentleibung fähig gewesen wäre.

Selbst zu Franz Joseph findet Markus noch was Neues: Bei der Besichtigung einer Klimt-Ausstellung soll er nicht stereotyp „es war sehr schön . . .“ gesagt haben, sondern plötzlich: „Eigentlich hab ich's mir ärger vorgestellt.“

Die Stephanskrone am Mattsee

„Judenrein“ sollte Mattsee schon 1921 werden, und so wurde Arnold Schönberg im Juli dieses Jahres aus seiner Sommerfrische vertrieben. Er wich nach Traunkirchen im Salzkammergut aus. 1927 verlegte wieder das Ehepaar Seyß-Inquart seine Sommerfrische nach Mattsee, 1934 kam Bundeskanzler Engelbert Dollfuß inkognito, um Geheimgespräche mit Seyß über die Einbindung der Nationalsozialisten in sein Kabinett zu führen. Außerdem wollte er schwimmen lernen, um in Riccione im Strandurlaub bei Mussolini keine lächerliche Figur zu machen.

In den letzten Kriegstagen 1945 floh der ungarische Faschistenführer Ferenc Szálasi an den Mattsee, in seinem Gepäck war die ungarische Stephanskrone. Im April heiratete er hier seine Gefährtin Gizella Lucz, zuvor wurde die Stephanskrone in einem Fass vergraben.

Die Bücher:

Georg Markus:
„Das gibt's nur bei uns.
Erstaunliche Geschichten aus Österreich“
Amalthea, 302 Seiten,
25 Euro

Siegfried Hetz (Hg.):
„Wo Dollfuß baden ging.
Mattsee erinnert sich“
Verlag Anton Pustet
181 Seiten
24 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2018)

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