Hollywood: Wenn Muslime nicht nur Bösewichte sind

Wenn Muslime nicht Boesewichte
Wenn Muslime nicht Boesewichte(c) REUTERS (INA FASSBENDER)
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Der Muslim als Terrorist ist in Hollywood zwar nicht neu, flimmerte aber nach den Terroranschlägen viel öfter über die Leinwand. Nun wächst das Bestreben, muslimische Lebenswelten nicht vereinfacht darzustellen.

Bei der Entstehung eines Drehbuches dürfte das Modellieren des Bösewichtes zu den einfacheren Aufgaben gehören. Nehmen wir einen fiesen Kerl mit buschigen Augenbrauen, der sich entweder auf einen blutigen Rachefeldzug vorbereitet, eine Entführung mit anschließender Folter plant oder gar einen Terroranschlag. Der Bösewicht hat bestenfalls noch mehr Bösewichte um sich herum geschart, ist ein Spezialist in Sachen Gewehr und Granate und hat in seinem bisherigen Leben bereits mehrere Friedhöfe befüllt. Und noch was: Ein Muslim ist er auch.

Muslim ist gleich Bösewicht – es ist eine einfache Rechnung, die aber nach Hollywood-Maßstäben gut funktioniert. Sie ist nämlich nicht schwer zu begreifen. Bereits vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 wurden Muslime – meist in Gestalt von Arabern oder palästinensischen Terroristen – als gefährliche, repressive und manchmal auch vertrottelte Typen dargestellt („Rosebud“, 1975, „Black Sunday“, 1977, „Delta Force“, 1986, „True Lies“, 1994) – aber nach 9/11, so scheint es, haben die Muslime die bisher gemeingefährlichen (Sowjet-)Russen auf der Leinwand systematisch abgelöst (Die Serie „24“, „Body of Lies“, „Syriana“ usw.).

In den USA wächst allerdings stetig das Bewusstsein, dass die oben genannte Rechnung doch zu simpel ist, vorhandene Stereotype massenwirksam bestätigt, die sich schließlich negativ auf den Alltag auswirken können. Die Organisation „MPAC – Muslim Public Affairs Council“ vertritt seit über 20 Jahren die Interessen der muslimischen Bevölkerung in den USA, unter anderem berät sie Filmschaffende, die Muslime in ihr Drehbuch einflechten wollen. Ziel der Organisation sei es nicht, die Geschichte neu zu erfinden, sondern die muslimischen Lebenswelten richtig wiederzugeben – auch dann, wenn sie die Fieslinge spielen sollen. Wie MPAC hat sich auch die in Los Angeles beheimatete Organisation „Most – Muslims On Screen and Television“ zum Ziel gesetzt, das Bild der Muslime in Filmen und Serien zurechtzurücken. Es ist kein belangloses Vorhaben, schließlich waren es US-Fernsehserien, die beispielsweise das Bild von Schwarzen („The Cosby Show“) und Homosexuellen („Will & Grace“) positiv beeinflusst haben, wie Cynthia Schneider erzählt. Die ehemalige US-Botschafterin und Dozentin an der Georgetown University in Washington ist Mitbegründerin von Most.

Sie und ihre Mitarbeiter bringen Filmemacher mit Islam-Experten zusammen und assistieren ihnen bei der „Erstellung“ der muslimischen Serien- und Filmfiguren. Diese sollen nach Möglichkeit multidimensional sein, die Pluralität innerhalb der Gruppe der Muslime berücksichtigen. Bisher habe Most bereits einige Figuren in erfolgreichen Serien mitgestalten, manchmal sogar ganz ummodellieren können. In einer Serie etwa habe ein reicher Geschäftsmann aus dem Jemen seine zehnjährige Braut in die USA bringen wollen. Eine untypische Handlung, wie Schneider meint. Reiche, polyglotte Unternehmer hätten mit Kinderheirat nur in den allerseltensten Fällen zu tun.

Erfolge und Selbstkritik. Die Präsenz der sozialen, kulturellen und ethnischen Diversität in den US-amerikanischen Medien funktioniert vergleichsweise gut: Schwarze, asiatische und hispanische Nachrichtensprecher fallen schon gar nicht mehr auf. Auch das Publikum bei den Debatten im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes war ethnisch durchmischt.

Journalisten und Medienschaffende üben dennoch Selbstkritik – die amerikanische Gesellschaft werde in den Medien trotz aller Bemühungen nicht adäquat reflektiert. Besonders bei den Muslimen gebe es noch Aufholbedarf, auch wenn seit den Terroranschlägen mehr Muslime in Medien und Politik sichtbar sind (im Kongress der Vereinigten Staaten sitzen die Muslime Keith Ellison und André Carson).

Sichtbar wurden US-Muslime im vergangenen Jahr auch durch eine Reality-Serie, die auf dem Sender TLC ausgestrahlt wurde. „All-American Muslim“ begleitete fünf libanesisch-amerikanische Familien durch den (ganz normalen, terrorfreien) Alltag. Die Serie erhielt durchwegs positive Rezensionen, wurde aber nach einer Staffel aufgrund sinkender Zuschauerzahlen abgesetzt. Formate wie diese seien zwar witzig, meint Cynthia Schneider, aber letztlich doch nicht erstrebenswert, da Muslime in eine eigene Serie ausquartiert werden. Ihr Ziel sei es, amerikanische Muslime als Teil der Gesamtgesellschaft zu präsentieren – und zwar in allen Mainstream-Formaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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