Mit Mut und viel Meinung

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Frankreich hat seit Kurzem eine neue Tageszeitung: "L'Opinion" will mit einer liberalen Linie und vielen Kommentaren bald 50.000 Stück verkaufen.

Einen Baum pflanzen, das war seit je ein Beweis für Vertrauen in die Zukunft. Unter den derzeitigen Verhältnissen eine Tageszeitung zu starten, ist Zeichen von Mut und kühnem Unternehmergeist. Mit der entsprechenden Achtung und wohlwollenden Wünschen begrüßten Frankreichs Medien den Start von „L'Opinion“ („Die Meinung“), die als knappe zwölfseitige Printausgabe und als erweitertes Online-Magazin erschienen ist. Ein frohes Ereignis ist das allein schon darum, weil in den letzten Jahren und Monaten einige gedruckte Zeitungen vom Markt verschwunden sind („France-Soir“ und „La Tribune“), die Geburt einer neuen Tageszeitung („Info-Matin“) ist zwanzig Jahre her.

Seit Mitte Mai ist „L'Opinion“ am Kiosk für 1,50Euro zu haben. Das Layout ist mit vier breiten Spalten eher konservativ, es grenzt sich mit relativ langen Texten vom sonst üblichen bunten Patchwork der Boulevardpresse ab. Bewusst beschränkt sich die Printausgabe auf ausgewählte Schwerpunktthemen aus dem Bereich der Innen- und Außenpolitik und der Wirtschaft. In jeder Ausgabe steht oben der Tageskommentar des Gründers und Herausgebers, Nicolas Beytout. Wie es der Titel verheißt, wird hier Meinung großgeschrieben. Neben prominenten Kolumnisten, Experten und Gastautoren in der Zeitung sollen sich auch die Leser via Facebook und Twitter äußern. Im Internet findet man neben Kurzmeldungen eine zeitlich gestaffelte Gliederung mit Morgen-, Mittags- und Abendausgabe, die an den Tagesablauf eines Radiosenders erinnert. Zu den Artikeln und Interviews kommen hier Videoproduktionen hinzu, die auf einen echten publizistischen Ehrgeiz hindeuten.

Mit einem genannten Auflageziel von 50.000 verkauften Stück und einer Million Besuchern pro Monat auf der Internetseite lopinion.fr hat Beytout große Ambitionen. Er ist als ehemaliger Redaktionsleiter von „Le Figaro“ und vor allem als Ex-Chef der Wirtschaftstageszeitung „Les Echos“ alles andere als ein Neuling in dieser Branche. Auch für seine rund 25-köpfige Redaktion ohne Hierarchie hat er sehr erfahrene Mitarbeiter gefunden, unter ihnen für die Online-Ausgabe den früheren Chefredaktor des „L'Est Républicain“, Rémi Godeau, sowie Luc de Barochez, Ex-Onlinechef von „Le Figaro“.


Nach dem US-Vorbild „Politico“. Beytout geht davon aus, dass er für ein ausgewähltes Publikum die richtige Mischung aus Print und Internet in einer der Nachfrage angepassten Form und Kürze gefunden hat. Er hofft, dass im Unterschied zu den defizitären „Pure Players“ der Information im Internet wie beispielsweise rue89.com auch die Rechnung der Finanzierung aufgeht. Vierzig Prozent der Einnahmen sollen von Annoncen, sechzig Prozent vom Kioskverkauf und von Abonnements kommen. In drei Jahren soll, wenn alles gut geht, die Schwelle der Rentabilität erreicht sein. Als amerikanisches Vorbild dient das von ehemaligen Journalisten der „Washington Post“ lancierte „Politico“.

Gegen den allgemeinen Trend bekennt sich das Projekt von „L'Opinion“ klar zu einem Meinungskonzept. Die Linie ist explizit „liberal“, „pro-business“, „pro-europäisch“. Das ist allein schon darum ein Wagnis, weil in Frankreich „liberal“ in pauschaler und pejorativer Weise als angelsächsischer Import oder in der Umgangssprache sogar als Schimpfwort gilt.

Steht „L'Opinion“ deswegen politisch rechts? Beytout, der zum Freundeskreis von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy gezählt wird, verwehrt sich gegen ein solches Etikett. In der ersten Ausgabe gab er in einem langen Interview dem früheren sozialistischen Premierminister Michel Rocard das Wort.

Natürlich möchte man auch wissen, wer hinter dieser Zeitung steht. Und das ist vorerst nicht sehr klar. Beytout wird selber als Hauptaktionär der Holding „Bey Médias“ genannt. Er schweigt sich über die übrigen Geldgeber aus, die zehn bis 15 Millionen Euro in das Projekt investiert haben. Zur Frage, ob es stimme, dass die Luxusgruppe LVHM von Bernard Arnault und der Mitbesitzer des Magazins „Le Nouvel Observateur“, Claude Perdriel, je mehrere Millionen riskiert hätten, meinte Beytout allerdings halbwegs bestätigend: „Suchen Sie unter den usual suspects!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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