Medien im Kosovo: „Unsere Flagge wurde nie im TV diskutiert“

Im Kosovo ist Fernsehen das populärste Medium. Anstatt dort die neue Identität zu diskutieren, wird die Kaufkraft getestet.

„Zur Primetime um neun Uhr abends sendet RTK eine Stunde Teleshopping“, gibt der Publizist Migjen Kelmendi (Pristina) der „Presse“ Einblick ins öffentlich-rechtliche TV-Programm. Das Fernsehen gilt im Kosovo als populärstes Medium, drei landesweite und viele lokale Stationen sind on air. Und: „Nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele Satellitenschüsseln pro Kopf und Haushalt wie im Kosovo“, berichtete Peter Miroschnikoff, früher Leiter des ARD-Südosteuropabüros dem Berliner „Tagesspiegel“. Während bloß fünf Prozent der Kosovo-Albaner regelmäßig Zeitung lesen.

Die drei Euro Gebühr für das Ex-Staatsfernsehen RTK werden in der neuen Republik jeden Monat mit der Stromrechnung eingehoben. Widerwillig nimmt man das hin, erzählt Kelmendi: „Die TV-Stunden neben dem Teleshopping werden mit unprofessionellen Sendungen bestritten. Die Kosovaren fragen sich: Warum sollen wir dafür bezahlen?“ Bis Mai wollen UN-Vertretung, OSZE und die European Broadcasting Union ein neues Finanzierungssystem erarbeiten.

Die Hauptnachrichten aber sind beliebt, erreichen laut Kelmendi eine Million Zuseher. Derzeit läuft täglich, 19.30Uhr, ein Bericht vom Belgrad-Korrespondenten – „durchaus objektiv. Aber eine Debatte über unsere Flagge, über unsere Identität wurde im Fernsehen nie geführt.“

RTK wurde mit 20 europäischen Euro-Millionen vom Staats- zum öffentlichen Fernsehen umgebaut, Kelmendi war während der Gründung um die Jahrtausendwende dort im Management tätig. Die beiden anderen nationalen Sender KTV und TV21 bezeichnet er ironisch als „amerikanische Geschenke“: Sie wurden „als Beispiele für Privatfernsehen von den Amerikanern installiert“. Von anderen Beobachtern werden sie als objektiver als RTK beschrieben. Weitere TV-Lizenzen gibt es, wie vor der Digitalisierung auch in Österreich, nicht.

Albanische Journalisten helfen Serben

Ausländische Investoren sind im Medienbereich nicht präsent; im Gegensatz zu NGOs wie „Reporter ohne Grenzen“ oder die niederländische Initiative „Press Now“. Die Schweizer „Medienhilfe“ hat 2002 „CerpiK“ (Cross-ethnic Radio Programming in Kosovo), ein Projekt zwischen albanisch-, serbisch- und türkischsprachigen Radiosendern, ins Leben gerufen. „Das hat sich – als eines der wenigen Projekte dieser Art – positiv entwickelt“, sagt Carole Gürtler vom Initiator in Zürich. Acht unabhängige Stationen kommen ein Mal pro Woche zusammen und produzieren eine 45-Minuten-Sendung. Das Netzwerk hat Folgen: „Serbische Journalisten haben im Kosovo zum Teil große Schwierigkeiten zu recherchieren“, die albanischen Kollegen helfen nun weiter, so Gürtler.

Das weckt Zuversicht. Doch wie lange wird es – Kelmendis Einschätzung nach – dauern, bis die Medien zur kritischen Zivilgesellschaft beitragen? „Das hängt davon ab, wie rasch TV und Radio den Diskurs über eine zivile Selbstbestimmung aufnehmen. Wir haben schließlich nie Souveränität erfahren.“

TV: Drei Sender im Kosovo

Das öffentlich-rechtliche RTK ist das frühere Staatsfernsehen. Die TV-Gebühr beträgt 3€/Monat und wird mit der Stromrechnung eingehoben. UN, OSZE und die European Broadcasting Union arbeiten an einem neuen Finanzierungssystem. Die beiden anderen landesweiten Kanäle heißen KTV und TV21; sie sind US-Gründungen. Außerdem gibt es zahlreiche lokale Stationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2008)

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