Die "Krone"-Story: Mrd. auf der Parkbank

DIE „KRONE“-STORY. Um den Blattmacher mit „G'spür“ wird es immer einsamer.

Im Oktober 1958 hatte SPÖ-Chef Bruno Pittermann Vertraute ins Kaffeehaus „Resch“ gebeten, um eine Mediensache zu besprechen. Christian Broda war da, der als Rechtsvertreter der Gemeinde Wien ein ziemlich unsozialistisches Vermögen angehäuft hatte. ÖGB-Vizepräsident Franz Olah war indes mit seinem VW-Käfer angereist. Er hörte hauptsächlich zu.

Denn die fünf „Kurier“-Redakteure, an der Spitze ihr Chefredakteur Hans Dichand, wälzten einen Traum: Die 1900 gegründete, im Weltkrieg eingestellte populäre „Illustrierte Kronen-Zeitung“ wiederzubeleben. Nur: Geld war rar. Und der SPÖ-Spitze war die Sache zu riskant. Außerdem brauchte sie keine Konkurrenz für die „Arbeiterzeitung“.

Olah schaltete am schnellsten

Olah, der unmittelbar vor seiner Wahl zum ÖGB-Vorsitzenden stand, handelte sofort. Wenige Tage später rief er Dichand an: Es sei doch besser, nur einen Geldgeber zu suchen, als sich von vielen Sponsoren abhängig zu machen. Ein KZ-Kamerad, jetzt Kaufmann in Frankfurt, könnte die geschätzten zehn Millionen Schilling Startkapital vorstrecken. Den Namen werde er noch nicht nennen, er handle vorläufig in seiner Vertretung, sagte Olah. Und für die ökonomische Seite des Abenteuers nannte er auch gleich einen befähigten 25-Jährigen: Kurt Falk, der sich bei „Persil“ erste Sporen verdiene, Sohn eines Bauarbeiter-Gewerkschafters, dem Olah verbunden war.

Die „Zentralsparkasse der Gemeinde Wien“ gab den Kredit; als Sicherstellung dienten ÖGB-Sparbücher, was Olah veranlasst hatte. Bei Fritz Molden kam man in den Dachkämmerchen des Verlagshauses am Fleischmarkt unter. 16 Leute waren es. Molden, Besitzer der „Presse“, der „Wochenpresse“ und des „Express“ (Miteigentümer war Gerd Bacher), bot auch den Druck in seinem Haus an. Allerdings gegen eine Kaution von einer halben Million Schilling. Als Abfertigung für seine Arbeiter sollte die Zeitung wieder vom Markt verschwinden.

Titel in Fraktur, Kampfpreis 1 Schilling

Am 10. April 1959 war die erste Nummer fertig. Sie kostete einen Schilling. Ein paar Tage verkaufte sich das Kleinformat mit dem Titelkopf in verspielter Fraktur ganz gut, dann fiel der Absatz auf 22.000 Stück – und dort blieb er ein ganzes Jahr. Außer der SW-Möbelaktion des Herrn Las wollte kein Mensch dort inserieren, „wir nahmen Gratisinserate, um den Schein einer Anzeigenseite zu wahren“, erinnerte sich Kurt Falk.

Aufwärts ging es 1961, parallel mit der Weigerung der Trafikanten, am Sonntag offen zu halten. Eine Katastrophe für alle Tageszeitungen, die damals noch sonntags erschienen (dafür montags nicht). Falk bastelte aus Karton eine Selbstbedienungstasche und ließ in einer Schlosserei 300 Verkaufsgeräte anfertigen. Die Auflage wuchs aufs Dreifache der Wochentagszahl. Mit Preisausschreiben jagte nun Falk die Leserzahlen hinauf. Im Frühjahr 1968 wurde der „Kurier“ überholt.

Der tiefe Fall Franz Olahs

Doch die dunklen Gewitterwolken ballten sich zusammen. 1963 fand der Kontrollobmann des ÖGB, Fritz Klenner, Ungereimtheiten in der Buchhaltung der „Bank für Arbeit und Wirtschaft“, stellte den eben erst als ÖGB-Präsident zurückgetretenen Franz Olah zur Rede. Der Innenminister beteuerte, die Beträge für die SW-Möbelaktion verwendet zu haben. In einer nächtlichen Krisensitzung wurde Olah aus der Partei ausgeschlossen, seine Bau- und Holzarbeiter gingen auf die Straße, die SPÖ hatte ihre Parteikrise. Christian Broda wurde auf offener Straße attackiert, die Umgebung des Burgtheaters glich einem Hexenkessel.

Doch die SPÖ hatte noch weiterreichende Pläne. Sie wollte Zugriff auf die inzwischen rentable „Krone“ haben. Mit der Begründung, Olahs Anteile gehörten der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter. 1966 wird die Redaktion im Pressehaus auf Antrag des Anwaltes Wilhelm Rosenzweig von einem gerichtlich bestellten Verwalter besetzt. Für 46 Stunden. Viel später sollte der Oberste Gerichtshof den versuchten Putsch der SPÖ als rechtswidrig verurteilen.

Anfang der Siebzigerjahre hat Franz Olah sein Abenteuer vor Gericht auszubaden. Wegen einer Millionenspende, die er aus ÖGB-Mitteln den Freiheitlichen zugesteckt hatte, wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt – seine Karriere war vernichtet.

Teure Scheidung von Falk

1974 kommt es zum großen Krach zwischen Dichand und seinem Hälfte-Kompagnon Falk. Eigentlich wegen Peanuts: Falk will ein billiges Wochenmagazin probieren, Dichand will eine TV-Programmzeitschrift. Falk scheidet im Zorn, bleibt aber Miteigentümer. 1987 kauft ihm Dichand seine Hälfte um die damals gigantische Summe von 2,2 Milliarden Schilling ab. Auf einer Parkbank in der Tuchlauben besiegelt das dynamische Duo der österreichischen Medienszene damals die mediale Scheidung. Hätte Dichand die 2,2 Milliarden damals nicht via Deutschland aufgetrieben, wäre die „Krone“ wohl an Falk gegangen.

Doch Dichand hatte sich eine Laus in den Pelz gesetzt, was er heute noch verflucht. Er musste die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) ins Land lassen, die fünfzig Prozent hält und ihre Rechte sehr genau nimmt. Erst der Tod des Hauptexponenten der WAZ lässt nun einen Vergleich mit der Familie Dichand wahrscheinlich werden.

Seit dem Abgang Richard Nimmerrichters nach 37-jähriger Tages-Fron ist die Kolumne „Staberl“ verwaist. Der tägliche „Leitartikel“ fehlt dem Blatt. Und mit den Treuesten der Treuen hat sich Dichand aus unerfindlichen Gründen zerkracht: mit seinem „Lebensmenschen“ Friedrich Dragon, der die Seele des „Krone“-Betriebs war; mit dem Sportchef Michael Kuhn und dessen Frau Helga, die für die Sterndeutung zuständig war. Jetzt bleibt ihm nur noch die engste Familie. Sohn Christoph und Schwiegertochter Eva. Und – nicht zu vergessen – Werner Faymann als Freund der Familie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2008)

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