ORF-Wahl: Der letzte Triumph des Fred Sinowatz

(c) Clemens Fabry
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Mit einem beispiellosen Coup verjagte die SPÖ vor dreißig Jahren den Generalintendanten Gerd Bacher. Parteitaktik ging vor Unternehmenskultur.

Der Juli 1986 bot innenpolitisch an Spannung alles, was sich die Medien nur wünschen konnten: Nach Waldheims Sieg war Fred Sinowatz als Bundeskanzler schon zurückgetreten, Franz Vranitzky etablierte sich am Ballhausplatz. In der FPÖ Norbert Stegers, die sich in aufrechter Koalition mit den Sozialisten befand, rumorte ein junger Senkrechtstarter aus Kärnten. Das sollte nicht mehr lange gut gehen.

Am 7. Juli stand Kurt Waldheim, der für die ÖVP ins Rennen um die Hofburg gegangen war, vor seiner Angelobung durch die Bundesversammlung. Der „Jüdische Weltkongress“ in New York schickte nochmals eine giftige Adresse nach Wien, der neue US-Botschafter Ronald Lauder ließ wissen, dass er dem Festakt im Parlament am 8. Juli fernbleiben werde.

Der frühere Generaldirektor der Creditanstalt, Heinrich Treichl, hatte Zoff mit dem ungeliebten Nachfolger an der Bankspitze, Hannes Androsch: Mit dem ehemaligen Vizekanzler und Finanzminister der Ära Kreisky sei eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich, ließ Treichl die „Presse“ wissen. Also trete er als Chef des Aufsichtsrats von Steyr-Daimler-Puch zurück, der zum Industriekonzern der CA gehörte.

Damit nicht genug der Turbulenzen. Am 7. Juli gab es den wirklichen Knall. Mit einer überraschenden Zweidrittelmehrheit schaffte es der Sportchef des ORF, Thaddäus Podgorski, den langjährigen Generalintendanten Gerd Bacher aus dem Rennen zu schlagen. Der „heimatlose Rechte“ Bacher, der von 1967 bis 1975 und dann wieder ab 1978 regierte, war den Sozialisten stets ein Ärgernis. Er hielt am ehemaligen Kreisky-Sekretär Johannes Kunz als TV-Informationschef fest und weigerte sich beharrlich, Podgorski diesen Posten zu geben. So kam es zur ersten Kraftprobe zwischen dem SP-Parteiapparat und dem neuen Kanzler Vranitzky. Dieser hatte nichts gegen einen Verbleib Bachers. Die SPÖ aber sehr wohl.

Als SPÖ-Chef war ja Sinowatz immer noch im Amt. Und jetzt folgte seine süße Rache. Es sollte der letzte parteipolitische Sieg des Burgenländers sein, dessen Parteikarriere als Landessekretär begonnen hatte, die ihn über das Unterrichtsministerium bis ins Kanzleramt getragen hatte. Jetzt, als bloßer Parteichef, wollte er seiner SPÖ einen letzten Dienst erweisen, koste es, was es wolle.

Da sich nicht im Entferntesten ein adäquater Gegenkandidat zum Vollprofi Bacher fand, sinnierte der engste Kreis um Sinowatz lang über die geeignete Strategie: Pressesekretär Gerhard Zeiler, Ex-Kabinettschef Hans Pusch, der SP-Fraktionsführer im 35-köpfigen ORF-Kuratorium, Peter Schieder. Zweifellos hatte Gerd Bacher den verschnarchten Staatsrundfunk innerhalb weniger Jahre zu einer europaweit geachteten Anstalt umgemodelt. Und auch der Kuratoriumsvorsitzende, der „rote“ Grazer Bürgermeister, Alfred Stingl, verbat sich jegliche Weisung aus der Löwelstraße. Er war für Bachers Verbleib, schon wegen der Kontinuität. Schließlich verfielen die Sinowatz-Einflüsterer auf die verwegene Idee, Teddy Podgorski (51), Kabarettist, Sport-Redakteur, Erfinder der „Zeit im Bild“, Urgestein im ORF, Stammgast im City-Beisl „Gutruf“, zu nominieren. 23 sozialistische Stimmen werde man schon zusammenkratzen, meinten sie, also für eine wenigstens provisorische Bestellung Podgorskis werde es wohl reichen.

Doch der vielfach unterschätzte SPÖ-Kandidat erhielt gleich im zweiten Durchgang 25 Stimmen. Nur zehn Kuratoren waren dagegen. Ein Eklat der Sonderklasse! Es musste aus dem antisozialistischen Lager jemand abgesprungen sein und gegen Bacher gestimmt haben. Und wohl auch der FP-Vertreter. Dass die Sozialisten zuvor dem langjährigen blauen Parteiobmann Friedrich Peter den Aufsichtsratsvorsitz im Verbund zukommen ließen, war wohl reiner Zufall, jedoch sicher hilfreich.

Die Volkspartei, die sich für Bacher nicht sonderlich ins Zeug gelegt hatte, reagierte säuerlich: Der Bundeskanzler Franz Vranitzky möge sich vorsehen, sonst ende er bald als bloße Schaufensterdekoration im Laden des (Noch-)Parteivorsitzenden Sinowatz, formulierte der Generalsekretär Michael Graff. Aber das waren nur noch Rückzugsgefechte. Die Schlacht war geschlagen, Sinowatz hatte seinen Triumph.

Und Podgorski? Er machte seine Sache gar nicht so schlecht. Er konnte nicht ahnen, dass vier Jahre später Gerd Bacher noch einmal aus der Wundertüte springen sollte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Nächsten Montag: Am 1. August 1976 stürzte frühmorgens die Reichsbrücke zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

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