ORF-Wahl: "Die Zeiten von Personaldeals sind vorbei"

ORF-STIFTUNGSRAT: GRASL
ORF-STIFTUNGSRAT: GRASL(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Er wolle auf keine Wünsche von Parteien eingehen, erklärt Richard Grasl, der – wie Alexander Wrabetz – für das Amt des ORF-Chefs kandidiert. Sein Konzept für die Leitung der Informationssendungen hält er für pluralistischer.

Die Presse: Es sind noch sechs Tage bis zur Bestellung des neuen ORF-Generaldirektors. Sind Sie froh, wenn sie vorbei sind?

Richard Grasl: Wir diskutieren gerade sehr intensiv unsere Konzepte. Das ist für mich erfreulich, weil ich sehr viel positiven Zuspruch bekomme. Daher fühle ich mich auch in dieser Woche sehr wohl.

Monika Lindner hat der „Presse“ in einem Interview gesagt, so kurz vor den Wahlen würden stets Wünsche bei den Kandidaten deponiert, die Frage sei, ob man darauf eingehe. Was für Wünsche bekommen Sie gerade zu hören?

Den einzigen Deal, den ich eingehe, ist der mit unseren Zuschauern, denen ich mit meinem Konzept das beste Programm liefern möchte. Es ist bisher kein Stiftungsrat mit einem inhaltlichen oder personellen Wunsch an mich herangetreten, und ich rechne auch nicht damit, dass das bis zum Dienstag so sein wird. Die Zeiten von Personal- oder Programmdeals sind endgültig vorbei, und es würde so etwas mit mir auch nicht geben. Wofür sich aber alle interessieren, sind Struktur- und Governance-Fragen, die die Unabhängigkeit des ORF sicherstellen. Für diese Diskussion bin ich sehr offen.

Es kann auch über andere Personen kommen, nicht direkt aus dem Stiftungsrat.

Auch das ist bis jetzt nicht passiert. Ich werde in der Auswahl meines Teams immer nur auf die Qualität schauen. Ich glaube, die schwierigen Aufgaben, die wir zu bewältigen haben, lassen es gar nicht zu, dass man auf Zuruf jemanden beruft, nur weil er jemandem zu Gesicht steht. Wir brauchen das Team der besten Köpfe. In den vergangenen sieben Jahren habe ich all meine Personalentscheidungen auch so getroffen.

Ihre Bewerbungen liegen nun vor. Einer der größten Unterschiede zwischen Ihnen und Ihrem Mitbewerber liegt in der Information . . .

Die Konzepte unterscheiden sich in der Information massiv voneinander. Während ich die Information pluralistisch aufstellen will, mit drei Programmdirektoren, die unter sich die verantwortlichen Journalisten haben, möchte Wrabetz die Chefredakteure direkt sich selbst unterstellen. Der große Unterschied ist, dass ich eine Ebene dazwischen habe und die Aufgaben auf drei Direktoren aufgeteilt werden. Außerdem werden diese Direktoren vom Stiftungsrat gewählt und können im Fall des Falles auch nur von diesem abgewählt werden. Ein Channel-Manager, ein Channel-Chefredakteur wird nicht vom Stiftungsrat bestellt und kann einfach umbesetzt werden. Ich warne davor, dass Konzept des amtierenden Generaldirektors so umzusetzen. Jeder neue GD könnte das für einen direkten Zugriff auf die Information nutzen.

Unter manchen ORF-Mitarbeitern herrscht die Ansicht, ein Generaldirektor Wrabetz würde ihnen in Informationsdingen mehr freie Hand als ein Generaldirektor Grasl lassen. Es heißt auch: Eine Weisung muss nicht immer schriftlich passieren. Man kann auch mit einem Wörtchen auf dem Gang Druck ausüben.

Ich glaube, dass sich selbstbewusste Journalisten von einem Wörtchen auf dem Gang nicht beeindrucken lassen würden und ihren Weg gehen. Wir wissen aber, dass Strukturen auch Möglichkeiten schaffen – oder eben verhindern, wie mein freiwilliger Verzicht auf das Weisungsrecht. Es wird vielleicht eine Zeit geben, in der ein anderer Generaldirektor am Werk ist. Wenn dieser dann die Struktur so übernimmt, wie sie Wrabetz vorsieht, wäre das der größtmögliche Eingriff in die Information, die man sich vorstellen kann. Es ist für mich völlig undenkbar, dass das so kommt, und ich werde alles dagegen tun. Ich halte das für eine Gefahr für die Unabhängigkeit, ohne Generaldirektor Wrabetz zu unterstellen, dass er das ausnützen würde.

Die Struktur von Wrabetz soll ja ohnehin erst gegen Ende der nächsten Amtszeit kommen, wenn alle Journalisten im neuen Newsroom auf dem Küniglberg sind.

So eine Struktur darf es nie geben. Wrabetz hat angekündigt, dass er erst Ende 2016 den Zeitplan für die Umsetzung bekannt geben will. Ich möchte den Stiftungsräten jetzt schon reinen Wein einschenken. Bei mir wissen sie ganz genau, wann was wie umgesetzt wird. Bei mir ist es auch so, dass die Besetzung der Channel-Manager und Channel-Chefredakteure immer im Vier-Augen-Prinzip mit dem jeweiligen Programmdirektor erfolgen wird und der Generaldirektor hier nicht ein Alleinentscheidungsrecht bei Personalbesetzungen hat. Daher ist mein Umbau sicher der behutsamere, der Umbau des amtierenden Generaldirektors ist ein riesiger und einer, wie ich ihn in der Geschichte des ORF noch nie erlebt habe.

Ein anderer Punkt, bei dem sich Ihre Konzepte unterscheiden, ist das Radio. Wrabetz konzentriert sich eher auf Ö1, Sie auf Ö3 und FM4. Es gibt die Sorge, dass Sie FM4 komplett einstellen würden. Ist sie begründet?

Überhaupt nicht. Aber wenn ich eine Studie auf dem Tisch liegen habe, die besagt, dass die derzeitige Aufstellung der Radios nicht mehr so funktioniert, dass wir junge Menschen mit qualitativ hochwertigem Radioprogramm erreichen, dann muss ich darauf reagieren. Mein Ziel ist es, mit einem neuen Radiodirektor darüber nachzudenken, wie man in der Abstimmung Ö3 und FM4 eine behutsame Adjustierung der Radioflotte vornehmen kann.

Ein neuer Sender ist also nicht geplant?

Nein, sondern eine Justierung in der Flottenstrategie, das betrifft auch den Bereich zwischen Ö3 und den Landesstudios, bei denen wir im Augenblick vielleicht auch zu starke Überschneidungen haben. Mein Ziel ist es, dass der ORF mit seinen derzeit gesetzlich zur Verfügung stehenden Radiosendern jedenfalls einen möglichst großen Teil der Bevölkerungsgruppe erreichen kann. Ich mache mir Sorgen, dass wir die jungen Hörer im Alterssegment der Zwölf- bis 29-Jährigen verlieren und dann für immer verloren haben. Ich hätte sie gern mit ihrem Musikgeschmack und ihrem Lebensgefühl erreicht, will ihnen aber gleichzeitig öffentlich-rechtliche Inhalte liefern.

Sie wollen wieder einen Generalsekretär einführen, den es seit der Generaldirektion Gerhard Weis offiziell nicht mehr gibt. Wieso?

Es ist nicht ganz so, wie Sie sagen. Es hat immer wieder Kollegen gegeben, die sich um genau dieses Spektrum, das ich mit einem Generalsekretär besetzen möchte, bemüht haben. Nur wurden sie nie so genannt, und das halte ich für falsch. Mein Konzept habe ich unter dem Motto geschrieben, dass wir Dinge beim Namen nennen und nichts schönreden. Der ORF braucht einen Generalsekretär, weil wir in der jetzigen Situation vor ganz großen Herausforderungen im regulatorischen Bereich stehen, aber auch in der internen Kommunikation. Wir müssen mit den europäischen Institutionen und dem österreichischen Gesetzgeber in Kontakt kommen, um das ORF-Gesetz für 2017 fit zu machen. Die jüngste Gesetzesänderung stammt aus dem Jahr 2010, damals gab es noch nicht einmal Tablets. Ich brauche zum einen jemanden, der die Geschäftsführung dabei unterstützt, dieses Public-Affairs-Management durchzuführen. Und zum anderen brauchen wir jemanden, der innerhalb des Unternehmens für die Mitarbeiterführung moderne Standards setzt. Das auch deshalb, weil ich die Geschäftsführung ja komplett auf die Produktebene ausrichte.

Das Anforderungsprofil klingt nach einem Juristen und Personalexperten.

Nach einem Juristen, gut vernetzt und visionär. Jedenfalls nicht politisch im engeren Sinn, wie die Position des Generalsekretärs.

Sie wollen garantieren, dass das kein politisch besetzter Posten wird. Ist das so glaubwürdig wie Wrabetz, als er 2011 den SP-nahen Nikolaus Pelinka zu seinem Büroleiter machen wollte?

Die Causa Wrabetz/Pelinka war doch eine ganz andere. Ich stehe dafür, dass es sicherlich keine politische Besetzung ist, sondern eine, die den ORF weiterbringt. Ich sage, was ich denke, und tue, was ich sage.

Die ORF-Chefkür im Fernsehen

Auf ORF III werden am Montag, den 8. 9. um 18 Uhr die Kandidaten Alexander Wrabetz und Richard Grasl live ihre Konzepte der Öffentlichkeit vorstellen. Es wird auf Sendung die Reihenfolge ausgelost. Jeder bekommt 15 Minuten Zeit, Fragen sind nicht erlaubt. Ob auch einer der anderen sechs Bewerber in die Sendung eingeladen wird, steht erst am Freitag fest.

(Langfassung, "Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

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